Nicole1971 hat geschrieben:
Und wahrscheinlich wohl auch, um Proctor - egal welches Alter er - nicht als Kinderschänder darzustellen; die sind heute nicht gern gesehen und waren es wohl auch nicht in den 50er und 60er Jahren.
Zunächst hatte ich an einen eventuellen Zusammenhang mit Nabokovs "Lolita" gedacht, eine Art "Nabokovs Lolita hat mich thematisch und künstlerisch dazu angetrieben, mich auch mit diesem Thema auseinanderzusetzen und es in irgendeiner Form zu verarbeiten", sah dann aber, daß Millers Stück zwei Jahre vor dem Roman erschienen ist.
@Arianna & Nicole1971 Danke dennoch für die schnelle Antwort!
Laudine hat geschrieben:
Indem die Figuren miteinander noch stärker persönlich verknüpft werden, als das in der historischen Wirklichkeit der Fall war, wird ein Mikrokosmos geschaffen, so dass die Situation in Salem, die unterschiedlichen Gründe für die "Massenhysterie" und die vielfältigen Konflikte fokussiert werden können.
Ja, das ist sinnig. Es verändert allerdings die historische Realität, obwohl ich natürlich annehme, daß es Miller nicht um die reine Wiedergabe von historischen Fakten ging (die er ja auch in anderen Bereichen der Ereignisse verändert hat). Ich frage mich nur so ganz nebenbei (ausgelöst durch deinen Ansatz), ob die Hinzudichtung der Affäre nicht letztlich auch ein wenig von dem "Es bedarf nicht viel um Konflikte eskalieren zu lassen"-Charakter nimmt. Von dem, was ich jetzt über den historischen Hintergrund weiß (und da mögt ihr/du sicher besser informiert sein), reichten langjährige Animositäten ("Jeder verklagt jeden", was auch im Stück ein Thema ist) aus, um in die Katastrophe zu führen. Es hat den Katalysator "Junge Frau verstrickt sich und eine ganze Gemeinde aufgrund erstmalig aufblühender (sexueller) Gefühle in ein ausartendes Geflecht von Beschuldigungen mit katastrophalem Ausgang" nicht gebraucht. Aber vielleicht hat Miller mit diesem fiktiven Katalysator die Geschichte nicht (nur) "aufpeppen" wollen, sondern ein im Grunde zweites Thema mit eingebunden und -verarbeitet, bei dem dann doch irgendwie Abigail auf Lolita trifft.
Arianna hat geschrieben:
Ein wesentliches Thema des Dramas ist die Ehe, aber auch die Sexualität: die ungezügelte weibliche Sexualität hielt Miller für 1 wesentliches Element einer jeden Hexenjagd: "Witch hunts are always spooked by women's horrifying sexuality awakened by the superstud Devil." (Zitat aus: Arthur Miller: The Crucuble : Lektüreschlüssel /von Andrew Williams. - Stuttgart : Reclam, 2011. - S. 61)
In der historischen Realität dieser Ereignisse spielte Sexualität keine Rolle, oder? Flapsig gesagt war es mehr sowas wie: Ein "Maschendrahtzaun"-Streit in Verbindung mit religiösem Wahn (nicht religiös-sexuell) artete aus? Erst Miller macht daraus eine Hexenjagd mit sexuellen Motiven (für die er dann einen geeigneten Antagonisten zu Proctor/Elizabeth in Form von Abigail hinzugefügt hat)?
Manchmal frage ich mich, was die realen Proctors zu Millers Version gesagt hätten.