In diesem noch ganz frischen Artikel geht es überhaupt nicht um 'Berlin Station 2', aber aufgrund der darin vorkommenden Charakterisierung von Richard und dem Spionagebezug lege ich ihn mangels sinnvollerer Orte hier ab:
Zitat:
„Mielkes Maulwurf bei der NSA“
Grenzgänger zwischen West und Ost
Ein betrunkener achtzehnjähriger Air-Force-Soldat torkelt nach Ost-Berlin hinein und möchte bleiben. Keine Retro-Agenten-Mär, wie sie gerade sehr beliebt scheinen, sondern eine wahre Geschichte.
Von Harald Keller
Der Kalte Krieg zwischen den Machtblöcken in Ost und West, die Machenschaften der Spione, Spitzel und Sabogenten, ist noch immer ein ergiebiger Themenlieferant. Nicht nur für die Autoren fiktionaler Fernsehfilme, auch Dokumentaristen entdecken haarsträubende Geschichten. Eine abenteuerliche Episode, die als Inspiration für eine – serielle – Spielfilmhandlung dienen könnte, hat der Autor und Produzent Jürgen Ast ausgegraben. Sein Protagonist Jeffrey Carney lebt heute unter – mit gutem Grund – nicht näher erläuterten Umständen in Ohio.
Vor fünfunddreißig Jahren war er, gerade mal achtzehn Jahre alt, bei der US-Airforce und als deutschsprachiger Linguist in West-Berlin stationiert, um vor allem Gespräche ostdeutscher Piloten abzuhören.
Bald darauf wurde Carney zum Spion für die DDR und interessant ist, wie es dazu kam: berufliche Frustration, die Angst, seine Homosexualität – damals ein Kündigungsgrund beim US-Militär – könnte offenbar werden, all das in unreifem Alter, noch dazu nach schwerer Kindheit. Eines Abends wankte Carney, der gerade in einer schweren Krise steckte, stark angetrunken in den Ostteil der Stadt und begehrte Asyl. Sobald die Mitarbeiter der Staatssicherheit wussten, wen sie da vor sich hatten, erfuhr Carney intensive Zuwendung, wurde lange vernommen und letztlich gegen seinen Willen veranlasst, in den Westen zurückzukehren und die DDR mit Informationen zu beliefern. Er ließ sich darauf ein.
Carney, der zeitweilig mit deutscher Identität Jens Karney hieß, erteilt vor laufender Kamera bereitwillig Auskunft. Von profilierten Agentendarstellern wie Daniel Craig, Tom Cruise, Richard Armitage ist er körperlich denkbar weit entfernt. Die Staatssicherheit verlieh ihm den Decknamen „Kid“. So sah er auch aus.
Auch die Kaltblütigkeit, die Agenten in Literatur und Film oft auszeichnet, ging ihm, wenn man ihm glauben darf, völlig ab. Kein Glamour, kein ausschweifendes Leben. Sein Lohn waren, nach seiner Übersiedlung in die DDR, ein roter Lada und ein Apartment im Plattenbau. Inklusive Abhöreinrichtung, denn seine Auftraggeber waren misstrauisch.
Es steckt viel Gehalt in dieser Biografie. Es gibt Action-Momente, einen illegalen Akt des US-Geheimdienstes NSA, von Autor Jürgen Ast ohne großes Brimborium, einfach mittels subjektiver Kamera, geführt von Nicolai Zörn und Todd Burger, ausreichend wirkungsvoll nachvollzogen. Das eigentlich Spannende aber ist die psychologische Komponente. Sie kommt in dieser fünfundvierzigminütigen Dokumentation ausreichend zur Sprache, sie ist die Basis, um Carneys absurd anmutendes Handeln verstehen zu können. Eine Dramatisierung hat an dieser Stelle keinen Platz, wäre aber eine reizvolle Angelegenheit: Eine Agentenstory ohne den Einsatz von Kampfkunst, Sportwagen und Wunderwaffen, sondern konzentriert auf das Gefühlsleben eines intelligenten, mental gepeinigten, durch und durch verängstigten schwulen Spions wider Willen. Ein Stoff, den das Leben schrieb.
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