Nachdem sowohl am Montag vor einer Woche im Online-Vorverkauf bereits um Punkt 10.00 Uhr als auch beim Vorverkauf am Ticketschalter Ende letzter Woche keine Karten mehr für die Veranstaltung erhältlich waren, habe ich am Montagmorgen meinen Abstecher vom Arbeitsweg zur Tageskasse mit sehr gedämpften Erwartungen angetreten. Ich erlebte auch keine Überraschung: alles ausverkauft.
Der junge Mann am Ticketschalter war sehr nett und hilfsbereit. Er gab mir den Tip, trotzdem zur Veranstaltung zu gehen, denn wenige Minuten vor dem Beginn werden die leeren Plätze aufgefüllt. Allzu große Hoffnungen machte er mir aber nicht, da das 'On location'-Panel in einem Raum für 100 Personen stattfand, aber 250 Talente akkreditiert sind, die beim "Auffüllen" bevorzugt werden. Nach ihnen genießt die Presse Priorität, so dass erst zum Schluss die interessierte Öffentlichkeit zum Zug kommt. Ich habe mich dann gemäß der Ratschläge eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn eingefunden und der Einlasskontrolle mein Interesse als Nachrückerin signalisiert, die das entsprechend notierte und mir den Zugang zum Foyer und zur Cafeteria ermöglichte. Dadurch konnte ich im Warmen und gut versorgt die Zeit bis zum Beginn der Veranstaltung sinnvoll nutzen.
Das ist augenscheinlich ein Vorteil einer Arbeit, bei der man häufig mit der Frage konfrontiert wird, die das Motto der 'Berlinale Talents 2017' ist, und damit eine meiner Antworten:
Zu meinem Glück schwächelten die jungen Talente Montagnachmittag ganz offensichtlich nach den ersten Tagen der Berlinale und dem Partywochende,
so dass ich trotz zusätzlicher Presse und Fachpublikum (inklusive Spys der 'Homeland'-Crew
) drei Minuten vor Veranstaltungsstart in den Saal gelassen wurde. Nach einer kurzen Einführung in das Thema und der Vorstellung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde als erstes 'Berlin Station' mit einem Zusammenschnitt aus Film- und Interviewsequenzen präsentiert, mit dem die Serie vermutlich vermarktet und zum Kauf angeboten wird. Darin kamen Michelle Forbes, Tamlyn Tomita, Caroline Goodall, Mina Tander, Richard Jenkins, Leland Orser, Richard, Olen Steinhauer und Michael Roskam zu Wort. Einige dieser Wortbeiträge kennen wir aus der Promo, andere waren mir neu. Auch bei den Ausschnitten aus der Serie waren kleine Momentaufnahmen enthalten, die letztlich dem Schnitt zum Opfer gefallen sein müssen. So konnte man z. B. ganz kurz sehen, wie Hector und Daniel mit Wodka (oder zumindest mit kleinen Schnapsgläsern befüllt mit klarer Flüssigkeit
) anstoßen. Auf der großen Leinwand wird deutlich, wie wahr die Aussage ist, dass jede Folge in der Qualität eines Kinofilm gedreht wurde.
Obwohl ich - im Unterschied zu den meisten im Saal - ja nicht unvorbereitet war, fand auch ich die bewegten Bilder in diesem Format wirklich atemberaubend und war kurz davor, mich den Ahs und Ohs anzuschließen.
Die Gesprächsrunde folgte der Chronologie der Entstehung der Serie von der Entwicklung der Grundidee und der Entscheidung für dieses Projekt bei Epix bis hin zum Werkstattbericht über die Sicherung und Aufbereitung des Filmmaterials.
Nach der Kurzdarstellung eines jeden Entwicklungsschritts gab es die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen. Als erstes schilderte somit Jocelyn Diaz von Epix die Gründe dafür, warum man sich für dieses Projekt entschieden hat. Nachdem feststand, dass eine der ersten beiden Eigenproduktionen eine neue Variante von Spionageserie sein sollte, kristallisierten sich schnell Eckpunkte heraus, durch die sich das Projekt von bisher Dagewesenem unterscheiden soll. Der Neuansatz, die Handlung realitätsnah-gegenwartsorientiert auszurichten, sollte durch einen Bruch mit traditionellen Vorstellungen über den gewählten Ort zusätzlich herausgestrichen werden. Da man sich zudem für einen kompletten Dreh am Originalschauplatz entschieden hatte, wäre "Budapest Station" (Zitat!) preiswerter gewesen wäre.
Trotzdem fiel die Wahl recht schnell und eindeutig auf Berlin, um den Unterschied zur Zeit des Kalten Krieges herauszustreichen. Dem derzeit branchentypischen und wohl in der Projektierungszeit häufiger gehörten Rat, "Dreht doch in Toronto!", habe man aufgrund des einmal gefassten Konzepts und dem Streben nach größtmöglichster Authentizität widerstanden.
Die Zusammenarbeit mit Studio Babelsberg erschien, trotz dessen guten Ruf und der Tradition, ebenfalls zunächst als Wagnis, weil die Studios bisher ihre hervorragende Reputation als Produzent von Kinofilmen erworben hatte. Jedoch ist Babelsberg kein klassischer Serienproduzent. Auch hatte man Sorge, dass der enge Zeitplan und die typische Arbeitsintensität beim amerikanischen Seriendreh aufgrund der Regulierungen des deutschen Arbeitsrechts nicht umsetzbar sei. Rückblickend betrachtet, habe sich allerdings gezeigt, dass gerade der zusätzliche Rahmen der deutschen Bestimmungen (nicht nur das Arbeitsrecht betreffend) die Arbeit und das kommunikativ-kooperative Miteinander intensiviert und den Mut zu kreativen Lösungen erhöht habe.
Darüberhinaus hat die Bereitschaft sich auf Cineastisches einzulassen, wie es etwa dank der Mitarbeit von Hagen Bogdanski in die Serie mit einfloß, 'Berlin Station' zu dem (speziellen) Produkt gemacht, das es geworden ist. In der Rückschau bietet die Zusammenarbeit mit den Babelsbergstudios für die Projektbeteiligten aus Übersee die perfekte Mischung aus Originalität, Fach- und Sprachkenntnis.
Authentizität war einer der zentralen Begriffe, der immer wieder genannt wurden, etwa im Zusammenhang mit den Fahrwegen, die ausschnitthaft in 'Berlin Station' angedeutet sind. Sie wurden in Gänze abgefahren, um zu überprüfen, ob sie so befahrbar sind und Sinn machen. Richard Gold von Paramount Pictures, der den Schreibprozess von der Idee von Olen Steinhauer bis zum klassischen 'Writers Room' amerikanischer Serien skizzierte, betonte in diesem Zusammenhang, wie wichtig der komplette Umzug des Autorenteams nach Berlin war.
Nur so konnte auch das Team die Gegebenheiten und Schwingungen der Stadt aufnehmen, Klischees gegen Realistisches austauschen, während des Drehs kurzfristig auf Anregungen, aber auch auf pragmatisch wichtige Änderungen im Drehbuch eingehen, die von den Regisseuren wie den Production Designern an sie herangetragen wurden.
Michael Scheel, Herstellungsleiter (Line Producer) und für die 2. Staffel jetzt auch Executive Producer, hob diese Kooperationsbereitschaft im zweiten Teil der Veranstaltung noch einmal hervor, als es darum ging, dass manche Drehorte nur wenige Stunden verfügbar waren. Niemals gab es ein Problem, die Drehbücher dahingehend kurzfristig anzupassen.
Dem Authentizitätsanspruch folgend hat Marco Bittner Rosser versucht, das Innere der Berliner CIA-Station als Studiobau dem architektonischen Äußeren der US-Botschaft nachzuempfinden, die sich - angelehnt an entsprechende (Presse-)Gerüchte - in 'Berlin Station' unsichtbar im Botschaftsinneren befindet. Dass die Außenaufnahmen der Botschaft dann tatsächlich genehmigt wurden, hat das Konzept komplettiert. Die Mischung von Fantasie und sichtbarer Architektur führte zu Details wie der Fensterlosigkeit, der Sterilität und weitgehenden Transparenz des gesamten Bürobereichs und dem kalten Licht der LED's. An letzterem wird auf Wunsch von Hagen Bogdanski für die zweite Staffel aber etwas geändert. Gezeigt wurden während der Ausführungen von Bittner Rosser die ersten Zeichnungen, Lagepläne und Setfotos. Für den Alptraum von Steven Frost wurde dieses Büro komplett ein zweites Mal in einen Wassertank eingebaut. Diese Szene, wie alles andere in 'Berlin Station', wurde - wie Hagen Bogdanski nach einer entsprechenden späteren Nachfrage aus dem Publikum erklärte - komplett original gedreht und nicht technisch überarbeitet oder durch Tricktechnik ergänzt, was im Fachpublikum mit einem anerkennenden Raunen quittiert wurde.
Zudem konnte man auch noch einen Blick auf Zeichnungen vom Raum, in dem Hector verhört wird, erhaschen, da die Technikabteilung des Veranstalters bisweilen etwas überfordert war.
Von geisteswissenschaftlichen Tagungen bin ich das durchaus gewöhnt, hätte bei der 'Berlinale' allerdings mehr Sachverstand erwartet.
Leider wurde auf diese Zeichnungen nach der kurzen Pause nicht mehr eingegangen. Mich persönlich hätte sehr interessiert, ob es sich dabei auch um einen Studiobau handelt oder ob an diesem Beispiel die Metamorphose vorgefundener Orte vorgeführt werden sollte.
Da es im zweiten Teil mit den Locations sowie der Filmsicherung und -bearbeitung weiterging, ergab sich auch keine Möglichkeit mehr nachzufragen.
Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass es ein Studiobau war, weil die Bilder offensichtlich von Marco Bittner Rosser vorbereitet worden waren und Angela Marges darauf nicht mehr einging. Zudem passen meine eigenen Beobachtungen im Rahmen der Spurensuche auch dazu.
Außerdem wurde ein Viertel der Serie im Studio gedreht, was zwar prinzipiell sehr wenig ist, aber dann doch für mehr als nur das Set der CIA-Station in einer Studiohalle in Babelsberg spricht.
Angela Mages, die Location Managerin, äußerte sich ausgesprochen positiv über die Kooperationsbereitschaft der Berliner Behörden, die auch kurzfristig Genehmigungen erteilten. Bei der Auswahl der Locations muss sie stets beachten, dass mindestens 20 Meter Straßenraum um die Location herum verfügbar ist, nur um die allernotwendigste Technik dort unterbringen zu können. Zudem bemüht man sich, in der Nähe - was dann durchaus relativ sein kann
- Platz für die restliche Logistik zu finden, damit der Weg von Garderobe und Maske zum Set nicht quer durch die Stadt führt.
Ihre kleine Diashow ausgewählter Locations eröffnete Marges mit dem "Safehouse" in Friedrichshain, das sie selbst entdeckt hat. Insgesamt 30 der insgesamt 348 Sets wurden in dieses Haus eingebaut, so dass dort wohl auch Szenen gedreht wurden, die wir mit diesem Haus nicht in Verbindung bringen.
Ihr nächstes Bild von Valerie mit Swingset auf der Baustelle des Zoofensters sorgte für die größte bewundernde Resonnanz des Nachmittags.
Außerdem zeigte sie noch ein Bild vom Schießtraining von Hector und Clare, wozu sie und auch Michael Scheel ausführten, dass Genehmigungen für Schießszenen an und in RL-Locations nicht so leicht zu bekommen seien. Besonderes Kopfzerbrechen bereitete ihnen deshalb die Schießerei im Shoppingscenter, da in diesem Fall der Besitzer, der Betreiber sowie alle Fillialisten und Ladeninhaber ihr Einverständnis für den Dreh erklären müssen. Umso glücklicher sind sie darüber, dass sie in einem der architektonisch interessantesten Bauten dieser Art in Berlin drehen konnten.
Besonders lustig war noch der Bericht von Angelika Marges über ihre Verhandlungen mit dem Inhaber des Antiquariats, in dem der Einsatz im Shoppingcenter vorbesprochen wird. Da floß ziemlich viel Weißwein, bis die Zustimmung erteilt wurde.
Da ich diese Geschichte und Details zum Setaufbau nun von beiden Seiten erzählt bekommen habe,
erzähle ich mehr, wenn ich in der 'Spurensuche-Serie' bei der entsprechenden Station angekommen bin.
Abschließend wurde noch über den technischen Transfer des Filmmaterials gesprochen. Als Fachfremde kann ich das nicht so detailgenau und ausführlich wiedergeben, wie es vorgestellt wurde.
Allgemein kann ich aber sagen, dass das Material ungewöhnlich schnell (in 2,5 Stunden ab dem Dreh) vorbearbeitet und gut gesichert auf den Zentralservern liegt.
Genausowenig kann ich die von Hagen Bogdanski angegebenen genutzten Linsen und Kameras detailgenau auflisten.
Deshalb beende ich meinen Bericht mit der Rubrik "Vermischtes", da sich nicht alles, was zwischendurch gefragt und gesagt wurde, sinnvoll chronologisch einordnen ließ. Außerdem kann ich auf diese Weise noch Hagen Bogdanski und Michael Scheel zu Wort kommen lassen, die vieles ergänzt, vertieft und Fragen beantwortet haben, worin das 'Wir-Gefühl' oder der "We-spirit" zum Ausdruck kommt, das als zweiter zentraler Begriff zur Charakterisierung der Zusammenarbeit immer wieder genannt wurde. Das Kommunikationsverhalten aller Teammitglieder vor Ort war dafür ein gutes Beispiel. Niemand versuchte anderen die Show zu stehlen oder drängte sich vor, alle waren miteinander in Blickkontakt und gaben einander gute Vorlagen, um die eigene Arbeit vorzustellen.
Zu diesem Team mit zwei Units und eine Special Unit gehörten natürlich auch die Schauspielerinnen und Schauspieler, die Michael Scheel als brilliant bezeichnete, weil alle stets pünktlich waren, niemand je einen Textaussetzer hatte und alle auch ohne vorherige Probe sofort die gewünschten Szenen spielen konnten.
Vergleichbar agierte auch Hagen Bogdanski, der oft direkt nach dem mehrfachen Dreh einer Einstellung auf der Grundlage seiner Erfahrung darüber entschied, dass der Dreh "im Kasten" war, anstatt die Aufnahmen zeitaufwendig anzusehen und zu analysieren. Genauso wie die Ausnutzung einzelner Locations für mehrere Sets und die schon erwähnten kurzfristigen Scriptänderungen half das alles dabei, den überaus engen Zeitplan einzuhalten. Stets wurden zwei Folgen in einem Block (und von einem Regisseur) innerhalb von 18 Tagen und damit durchschnittlich an zwei Sets am Tag gedreht.
Der Wechsel der Regisseure wurde dabei als Gewinn beschrieben, der regelmäßig neue Ideen, aber auch "frische Tatkraft" ins Team brachte.
Der Austauschprozess zwischen den Autoren und den Produktionsmitarbeitern der 2. Staffel hat bereits begonnen, da im Frühling und Sommer gedreht wird, wie es zunächst für die 1. Staffel geplant war. Im nachhinein ist man über die Zeitverschiebung im Jahr 2015 froh, da sich daraus automatisch deutliche Unterschiede zur Berliner 'Homeland'-Staffel ergeben haben. Den Jahreszeiten entsprechend wird die nächste Staffel heller und farbiger angelegt sein und mit anderer Lichtstimmung gedreht werden.
Hinsichtlich der Schauplätze ist nochmals eine Steigerung zur 1. Staffel geplant, was ein hoher Selbstanspruch ist, wenn man bedenkt, an welch spektakulären Orten bereits gedreht wurde. Wieviele Staffeln im Hause Epix denkbar sind, ließ Jocelyn Diaz offen, und betonte die derzeitige Konzentration auf die zweite. Wie es weitergeht, hängt davon ab, wie groß das Interesse und der Zuspruch des Publikums sein wird.