Maike hat geschrieben:
ghostinthefog hat geschrieben:
Den stärksten Unterschied stellt dabei für mich der Untergang von Thorntons Empire dar.
So gesehen könnte man N+S auch in Teilen mit Jane Eyre vergleichen, wo zu Beginn Rochester ein gutsituierter, reicher Mann ist und Jane seine Angestellte und zum Schluß er alles verloren hat und sie eine wohlhabene Frau ist.... ist zumindest meine bescheidene Meinung...
Aber ist das wirklich nötig daß der Mann erst finanziell oder gesundheitlich ruiniert werden muß um ein "Gleichgewicht" herzustellen ? (Wobei Thorntons Pleite viel realistischer ist als der Brand in Jane Eyre) Eigentlich ist Gleichgewicht nicht das richtige Wort, Abhängigkeit wäre besser. Heißt das daß die Frau nur sie selbst bleiben kann, wenn der Mann von ihr abhängig ist ? Da weiß man ja gar nicht wo die geänderte Einstellung aufhört und die schiere Notwendigkeit anfängt.
Also, ich finde, man muss sich die Zeit vor Augen halten, in der diese Romane entstanden sind. Schaut Euch das Risiko an, dass eine Frau eingeht, indem Sie einwilligt, einen Mann zu heiraten, mal abgesehen vom Gesundheitsrisiko Kinderkriegen. Sie begibt sich in die völlige juristische Abhängigkeit. Sie ist vor dem Gesetz keine eigenständige Person mehr, alle Entscheidungen trifft ihr Ehemann, alle Verträge, die zu unterschreiben sind, unterschreibt er. Sie hat keinerlei Rechte an ihren Kindern, ist maximal den Dienstboten gegenüber weisungsberechtigt. Wenn ich mich nicht irre, wurde zum Beispiel erst in der 1950er Jahren in Deutschland die (Un-)Sitte abgeschafft, dass Ehemänner zustimmen bzw. den Arbeitsvertrag unterschreiben mußten, wenn die Ehefrauen arbeiten wollten...
Stellt Euch nun vor, eine Frau heiratet unter diesen Umständen einen Mann, der sie nicht liebt, der sie nicht als gleichberechtigte Partnerin in der Ehe ansieht, sondern nur als weiteren Besitz in der Sammlung mehr oder weniger kostbarer Gegenstände.
Im Prinzip ist es unerheblich, welche Gefühle SIE ihm entgegenbringt. Wichtig ist, dass ER, wenn er sie denn nicht gerade liebt, dann doch wenigstens eine Schwäche für sie hat, damit sie als Ehefrau ein halbwegs verträgliches Leben hat...
Und genau davon erzählen die Romane der Zeit: Er verfällt ihr hoffnungslos und dieses Gefühl für sie ist tief und beständig. Der Idealzustand also, den wir uns heute noch wünschen..
Auch die Heldinnen in den Romanen sind Ideale der Zeit: Sie sind selbstbewußt und schießen dem männlichen Selbstverständnis, der Nabel der Welt zu sein, gehörig eins vor den Bug...
schlumeline
SCHAF
PS. *Flüster* Eigentlich war ich noch nie so 100%ig davon überzeugt, dass Elizabeth Bennet ausschließlich den gerade entdeckten Menschen in Darcy liebt und dabei nicht auch auf seinen Besitz schielt. Das ist nicht abwertend gemeint. Lizzy ist auch nur ein Kind ihrer Zeit. Sie kennt es eigentlich nicht anders, als dass bei einer Heirat die Besitzverhältnisse neu sortiert werden. Jedenfalls hat die von Austen als Joke gemeinte Antwort auf Janes Frage, seit wann sie Darcy liebt, schon immer einen faden Beigeschmack bei mir hinterlassen: "Ich glaube, seit ich das schöne Pemberley gesehen habe." Oder so ähnlich.
Da haben die Viktorianer in ihren Romanen mehr auf Gleichberechtigung sowohl auf der menschlichen/ideellen, als auch auf der materiellen Ebene geachtet...
Oje, jetzt mache ich mir wohl Feinde. :pfeif: