Ich weiß jetzt nicht, ob das besser zu Margaret sollte, aber ich poste es mal hierhin, weil es ja auch um die Beziehung der beiden zueinander geht.
So, ich hatte ja versprochen, ich schreibe vielleicht mal was zu Margaret und da ich mich gerade jetzt nicht zum Schreiben etwas anderem bringen kann - irgendwie ist bei mir da der Kopf zu - versuche ich es hiermit, vielleicht eröffnet das auch mir neue Ideen.
Also Margaret ist sehr jung, sie kennt noch nicht viel von der Welt, ist aber auch nicht dumm. Sie kann Menschen eigentlich gut einschätzen, auch wenn sie mit den Menschen, die sie liebt, in ihrem Urteil weitaus zu nachsichtig ist. Dort unterscheidet sie sich zum Beispiel von Elisabeth Bennet, die auch die Fehler ihrer eigenen Familie sehr klar vor Augen hat. Margaret sieht sie Fehler ihrer eigenen Familie und Gesellschaft jedoch verklärt. Es ist nicht so, dass sie sie gar nicht wahrnimmt, aber sie erklärt und verklärt die Macken ihrer Familienmitglieder.
Margaret ist religiös und hat ein starkes Empfinden für Recht und Unrecht. Sie kann Ungerechtigkeit nicht ertragen und versucht sie mit eigenen Möglichkeiten auszuräumen, zum Beispiel verteilt sie Almosen an Arme. Das sieht sie als ihre Pflicht und dort, wo dieses Prinzip der Nächstenliebe funktioniert, sprich im Süden Englands, haben die Menschen ihrer Meinung nach ein gutes Leben.
Sie ist fähig großes Mitleid für Menschen, die ärmer als sie sind zu empfinden, und fühlt sich berufen die Lebenssituation dieser Menschen zu verbessern, was ja auch wie schon erwähnt da, wo sie herkam, gang und gebe war.
Margaret ist aufgewachsen mit den oft noch etwas verstaubten Ansichten der Gentry-Gesellschaft, über die auch Jane Austen schrieb. Für sie gehört es dazu, dass man an Arme Almosen verteilt, dass ein Gentleman sich gegenüber einer Dame anders gegenüber verhält als gegenüber einem Herrn. Sie ist in diesem Sinne sehr altmodisch und glorifiziert den Süden und seine Lebensweise, vor allem im Vergleich zu den raueren Umständen in Milton.
Sie hat aber auch ihren eigenen Kopf und kann durchaus harsch werden in ihrer Meinungsäußerung, weiß sich dort aber immer noch in die Gesellschaft eingebunden, wo einem als Frau schon aus Höflichkeit nicht zu deutlich widersprochen wurde. Außerdem weiß sie ihre Meinung gegenüber Angehörigen ihrer Klasse durchaus gut zu verpacken. Sie ist nicht an allzu deutlich Worte gewöhnt und daran, dass schon kleine Worthinweise Akzente setzen. Im Norden jedoch, wo die Leute durchaus direkter sprechen, übernimmt Margaret diese ihrer ehrlichen und offenen Art mehr zusprechenden Redeform ihrer Gesprächspartner und wirkt daher, gerade weil sie es nicht gewohnt ist, oft harsch. Jedoch muss man hier bedenken, dass sie mit ihrer Familie und mit anderen Freunden weitaus nachgiebiger umgeht, sie übernimmt somit in vielen Gesprächen nur die direkte Art ihres Gesprächspartner, das an vielen Stellen John Thornton ist. Er behandelt sie nicht so wie sie es von einem Gentleman gewohnt ist, sondern diskutiert mit ihr mehr wie mit einem Mann und sie entgegnet darauf ebenso. Thorntons energische Art fasziniert sie, aber die Härte, die er ausstrahlt, ist ihr zuwider. Während ihr Vater, dem selbst diese Eigenschaften wie Resolutheit und auch ein energisches Auftreten fehlen, Thornton vor allem bewundert, stößt Margaret, die selbst resolut und energisch ist, sich allerdings in ihrem Handeln mehr auf Menschen konzentriert als auf Ertrag oder Produktivität, John Thorntons Entschlossenheit negativ auf. Für sie ist er kalt und unnachgiebig, ein Ausbeuter. Dass er sich dabei nur in die Gesellschaftsstruktur um ihn herum fügt und dass er es ohne ein gewisses Maß an Unnachgiebigkeit nicht schaffen kann, seine Fabrik zu halten, leuchtet ihr nicht ein. Da sie das Gefühl hat schon viel zu kennen und zu wissen, fühlt sie sich berufen den Norden und seine Menschen nach ihrem Maß zu messen Und John Thornton kommt dabei einfach schlecht weg.
Denn Margaret versteht nicht, dass sie nur die Welt des Südens Englands kennt und man den Norden Englands nicht an dessen Maß messen kann.
Milton und die Lebensart der Menschen dort ist ihr im Grunde schlichtweg unbekannt, als sie dorthin zieht, aber die krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich, der erbitterter Kampf zwischen Masters und Arbeitern, all das ist ihr fremd und erscheint ihr ungerecht und falsch und zum Teil hat sie damit sicherlich auch recht. Aber es ist auch so, dass sie einfach nicht versteht, dass diese ihr fremde Gesellschaft nicht einfach in die Gesellschaft umgewandelt werden kann, die sie aus dem Süden kennt. Sie tut sich schwer die Menschen dieser fremden Stadt und Gesellschaft so zu nehmen wie sie sind. Sie packt es durch ihre eigene Entschlossenheit und ihr jugendliche Flexibilität besser als zum Beispiel ihre Mutter, aber im Inneren stößt sie die Gesellschaft, in der sie nun leben muss, ab. Sie hat in gewisser Weise das, was man heute allgemein als Kulturschock bezeichnet.
Ihre Ablehnung der Gesellschaftsstruktur im Norden projiziert sie nun auf Mr. Thornton, der als Master offensichtlich Einfluss hat und etwas zum Besseren verändern könnte, es aber nicht tut, während ihre Nächstenliebe und ihr anerzogenes Mitgefühl sie sich mit den Arbeitern verbrüdern lässt.
Auch einige andere Schichtungen in der Gesellschaft Miltons bleiben ihr – wenigstens zunächst - fremd. Für sie ist Mr. Thornton zum Beispiel eben nur ein Fabrikbesitzer, ein Händler, jemanden auf den die feine Gesellschaft eher herabblickt. Von solchen Menschen erwartet sie keine Feinsinnigkeit und dennoch misst sie sie mit demselben Maß wie die Menschen, die sie aus dem Süden Englands kennt, und Mr. Thornton hat darunter schwer zu leiden. Sie sieht ihn nicht als Gentleman an, blickt auf ihn herab, erwartet aber von ihm die gleiche Behandlung, die ihr von Gentlemen in London zuteil werden würde. Da Thornton auch hier nicht glänzen kann, verliert er weiter an Ansehen in ihren Augen.
Nach und nach jedoch sieht sie Mr. Thornton mit anderen Augen, ich denke, das passiert schon teilweise vor dem „Riot“, sie beginnt seine positiven Eigenschaften zu schätzen, dennoch ist er immer noch unter ihr und außerdem vertritt er Meinungen, die sie niemals teilen kann.
Deshalb lehnt sie auch seinen ersten Antrag rigoros ab, sie kann sich mit Mr. Thorntons Ansichten nicht abfinden, sie denkt völlig anders als er und zudem fühlt sie sich von der Art seines Antrags beleidigt, da er nun einmal nicht wie ein formvollendeter Gentleman um ihre Hand anhält. Seine Worte sind vielleicht wohlüberlegt, aber zu neutral. So einen Antrag kann sie nur ablehnen und außerdem kommen seine Worte von Liebe völlig überraschend für sie und dann auch noch seine Ansichten. Nein, das geht gar nicht für Margaret und so lehnt sie John Thorntons Antrag ab.
Doch kurz darauf plagt sie auch schon so etwas wie ein schlechtes Gewissen und sie ist sich unsicher über ihre Entscheidung. Ich vermute mal, dass hier nun auch ihre emotionale Reaktion auf das Gehörte durchbricht, denn schließlich ist Mr. Thornton ein Mann und zwar der erste Mann außerhalb ihres bisherigen Bekanntenkreises, der ihr solche Gefühle entgegenbringt, und dass diese Gefühle stärker sind als die verhaltene Zuneigung von Henry Lennox, das spürt Margaret natürlich auch. Sie macht sich wieder und wieder klar, dass sie sich richtig entschieden hat, aber allein, dass sie sich das versichern muss, macht schon vieles deutlich. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Margaret sich in John hier schon verliebt hat, aber wie man so schön sagt: Es schmeichelt enorm zu wissen, dass man geliebt wird.
Und dann ist Margaret auch noch ein mitfühlender Mensch und natürlich tut ihr John Thornton leid, und da er so ziemlich der einzige Bekannte ist, mit dem ihre Familie in Kontakt steht, besteht natürlich die Gefahr, dass er nun nicht mehr zu Besuch kommt und gerade ihren Vater würde das sehr treffen und Margaret möchte natürlich nicht, dass ihr Vater alleine ist.
Nachdem nun Mr. Thornton weiterhin so höflich ist zu ihr, beginnt auch Margaret Gefühle für diesen Mann zu entwickeln, aber ihre Einstellung, die ihr nicht zulässt die Ablehnung des Antrags zu bereuen und so denke ich auch die weitaus schwerwiegenderen Sorgen um die kranke Mutter, lassen es nicht zu, dass sie die aufkeimenden Gefühle erkennt. Sie urteilt weniger harsch über John Thornton mit der Zeit, aber sie kann sich nicht eingestehen, dass sie Gefühle für ihn hat. Erst nach dem Tod der Mutter und als Mr. Thornton sie mit Frederick am Bahnhof sieht und sie lügt und er es mitbekommt und sie auch noch aus einer prekären Lage rettet, wird es zumindest für den Leser ansatzweise erkennbar, dass Margaret, die es einfach nicht ertragen kann, dass Mr. Thornton schlecht von ihr denkt, sich in diesen nun auch verliebt hat. Sie selbst lügt sich weiterhin in die Tasche, zwar stürzt die negative Meinung Mr. Thorntons über sie in tiefe Verzweiflung, doch sie ist zu stolz zuzugeben, dass er ihr etwas bedeutet. Sie leidet unter der ganzen Situation, fühlt sich aber Frederick verpflichtet das Geheimnis über ihn auch vor John Thornton zu wahren, doch der Gedanke, was dieser nun von ihr denken muss, macht sie fast krank. Vor allem in der Szene, wo sie Higgins zu Thornton geschickt hat und dieser eine sehr bösartige Bemerkung über Frauen gemacht hat, die Higgins ihr weitergibt, wird das sehr deutlich (Achtung an alle Filmkenner: Diese Szene existiert nur im Buch!).
Aber weiterhin ist sie zu stolz wirklich einen Schritt auf John Thornton zuzumachen, sie versucht sich ihm gegenüber höflicher zu verhalten, doch dieser blockt sie ab und den Mut alles preiszugeben oder zumindest die Geschichte von Frederick Mr. Thornton anzuvertrauen, hat sie nicht.
Als dann ihr Vater stirbt, sorgt dieser Schock zunächst dafür, dass sie ihre Gefühle oder Nicht-Gefühle für Mr. Thornton völlig vergisst. Der Schock des Todes beider Eltern sitzt so tief, dass sie Milton und damit auch den Ort, der für sie und ihre Familie eigentlich durchweg Leiden bedeutete, ohne irgendeinen Blick zurück verlässt. Sie will nur noch weg. Erst in London kommt sie langsam wieder zurück ins Leben und da wird dann auch mehrfach angesprochen (wieder nur im Buch), dass sie annimmt unverheiratet zu bleiben.
„Wieso wohl?“, fragt man sich als Leser, „nur aufgrund des Todes der Eltern?“ Sie ist doch durchaus noch jung und schließlich auch noch ebenso vermögend. Die Antwort muss man sich selbst suchen, aber ich habe dies auch als ein Zeichen ihrer Liebe zu Thornton gewertet, die sie mittlerweile in gewisser Weise erkannt hat und aufgrund deren sie es sich nicht vorstellen kann einen anderen Mann zu heiraten, obwohl sie ja durchaus noch nicht zum alten Eisen gehört und sicher auch begehrt wäre. Auch dass sie ihm mit ihrem Geld helfen will, spricht für sich. Er sieht es ja auch sogleich als eine Art Liebesgeständnis, was es – so sehr Margaret damit auch etwas anderes aussagen wollte – wohl auch irgendwie ist. Denn damit, dass sie ihm Geld anvertraut, macht sie sich von ihm abhängig und sie drückt ihm damit unverbindliches Vertrauen aus. Und seine Lage ist schlecht genug, dass es keinen Sinn macht, dass sie an ihren eigenen Vorteil dabei denken kann. Nein, sie denkt hier nur an ihn, sie macht es seinetwillen und er erkennt ja auch sofort, was dies nur bedeuten kann.
Interessant ist übrigens, dass Margaret nie ihre Verliebtheit in John Thornton bekennt. Auch findet sich im Buch kein Wort darüber, dass sie Gefühle für denselben entwickelt. Alle Gefühle von Margarets Seite aus werden nur in ihrem Handeln beschrieben, während Thorntons Gefühle oft deutlich angesprochen werden. Das spiegelt sicher zu großen Teilen das Empfinden der damaligen Gesellschaft, in der es den Herren zukam Gefühle zu äußern, während die Damen eifrig damit bemüht waren die ihrigen zu verstecken, um sich ja nicht verletzbar zu machen. Das kann man ja auch in Austens Romanen finden. So, das waren nun soweit meine weitschweifenden Gedanken zu Margaret und ihrer Beziehung zu Mr. Thornton.
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