Daniel Brühl erwähnt in diesem Interview wieder einmal 'My Zoe' - allerdings ohne Titelnennung:
Zitat:
02.05.18
"Vielleicht haben die Leute mich vergessen"
Peter Zander
Daniel Brühl spricht im Interview über seinen neuen Film "7 Tage in Entebbe", über Amerika und ausbleibende Drehbücher aus Deutschland
Hamburg. Seit Kurzem ist Daniel Brühls Serie "The Alienist" auf Netflix zu sehen, jetzt kommt das Drama "7 Days in Entebbe" über die Flugzeugentführung von 1976 ins Kino, in dem er den Terroristen Wilfried Böse spielt. Brühl ist mittlerweile ein Weltstar, der zwischen den USA und Deutschland pendelt. Gerade musste er in den Staaten für "The Alienist" werben, jetzt in Berlin für "Entebbe". Im Gespräch gibt der 39-Jährige zu, dass er noch ein wenig unter Jetlag leidet.
Sie haben schon seit Jahren in keinem deutschen Film mehr mitgewirkt. Interessiert Sie das nicht mehr? Oder traut sich keiner mehr, Sie zu fragen?
Daniel Brühl: Es gab hin und wieder Anfragen, bei denen ich auch länger überlegt, mich letzten Endes aber doch dagegen entschieden habe. Das meiste, was aus Deutschland kommt, ist tatsächlich für mich nicht interessant. Aber so viel kommt auch gar nicht. Vielleicht haben die Leute einen hier schon vergessen. (lacht) Oder sie trauen sich wirklich nicht. Ich war aber durch die Serie auch ganz schön festgelegt.
Sie waren dafür Monate in den USA. Dabei wollten Sie doch für Ihr Kind ein wenig kürzertreten! Halten Sie das durch?
Ja, das hat ganz schön reingehauen. Ich möchte den Gang tatsächlich etwas runterschalten, das will ich in den nächsten Jahren auch so halten. Man will ja nicht zu viel verpassen mit dem Nachwuchs. Aber wie ich mich kenne, werde ich dann schon mit den Füßen scharren. Deshalb habe ich mich der Produktionsfirma Amusement Park Film angeschlossen; da gibt es schöne Aussichten auf Projekte, die ich als Produzent unterstützen kann, wie jetzt einen Film von meiner alten Freundin Julie Delpy, den wir in Berlin drehen. Wir arbeiten auch an einer Dokuserie in den USA. Da kann man ein bisschen besser steuern, von wo aus man das macht. Und ich habe wenigstens das Gefühl, von einer anderen Richtung her aktiv zu sein. Das wird jetzt immer mehr Thema, dass ich mir genau überlegen muss, wie viel Zeit ich weg bin. Das geht bei dem Kleinen jetzt schon mit dem Sprechen los. Als das erste Mal "Papa, Papa" kam, war das schon ein großes Gefühl. Irgendwann wird aber auch die Frage kommen: "Papa, muss das jetzt sein?" Da muss man sich auch erklären. Vieles ist dann nicht mehr so wichtig.
Sie sind jetzt als deutscher Terrorist im britischen Film "7 Days in Entebbe" zu sehen. Ein Film über die Flugzeugentführung 1976. Davon gibt es schon mehrere Filme. Warum jetzt noch einen?
Es gibt ja auch berühmte deutsche Kollegen, die meine Figur schon verkörpert haben. Klaus Kinski und Horst Buchholz zum Beispiel. Den Film mit Buchholz fand ich aber schon sehr trashig, sehr schwarz-weiß gezeichnet. Der Ansatz von José Padilha hat mich sehr interessiert, das Ganze aus unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen, aus Sicht der Opfer, der Täter, der Befreier und der Politiker. Das wird irritieren, das wird auch polarisieren. Der Film wird es nicht einfach haben, das war mir schon gleich klar. Aber ich habe von jeher Interesse an Geschichte. Und es gibt eben nicht die eine Geschichtsschreibung, es gibt verschiedene Realitäten und Wahrheiten. Auch für den Dreh haben wir mit echten Beteiligten von damals gesprochen, da gingen die Meinungen diametral auseinander.
Wenn man den Terror von einst dreht, denkt man den Terror von heute mit?
Unbedingt. Das interessiert mich überhaupt an Geschichtsthemen: dass es einem auch in Erinnerung ruft, wo wir jetzt stehen. Der Terror von heute fußt ja darauf. Und es ist erschreckend, dass das ein dynamischer Prozess ist und sich das Monstrum auch weiterentwickelt. Ich möchte da nicht falsch verstanden werden, ich habe grundsätzlich keine Empathie, kein Verständnis für jede Form von Terror oder Radikalität. Aber damals gab es noch bestimmte moralische Grundsätze. Dem sind auch schon viele Zivilisten zum Opfer gefallen, aber das noch Monströsere heutzutage, diese Wahllosigkeit, einfach in Menschenmassen zu rasen, hat eine neue Dimension. Das ist ja genau, was der Terrorismus will: uns permanent zu verängstigen. Die Tatsache, dass es uns alle jederzeit treffen kann, macht mit uns allen etwas. Macht auch mit mir etwas.
Auch als Familienvater?
Natürlich, jetzt mit Nachwuchs umso mehr. Und das gar nicht nur im Hinblick auf Terror. Ich hatte wahnsinnig Glück, in ein Europa geboren zu sein, in dem Demokratie gesichert schien. In dem dann die Mauer fiel, in dem Grenzen geöffnet wurden. Die EU, das schien mir ein solides und unumstößliches Konstrukt. Ich dachte, egal, wo es sonst auf der Welt Konflikte gibt, wir zumindest haben aus unserer Geschichte gelernt. Das jetzt gefährdet zu sehen überall in Europa, und zwar massiv, das stimmt mich traurig und pessimistisch. Ich bin froh, dass mein Sohn noch nicht in der Lage ist, Fragen zu stellen und ich ihm Antworten geben muss. Da käme ich ganz schön in Erklärungsnot. Leute werden später hoffentlich ungläubig auf Trump zurückblicken und auf andere, die derzeit unser Weltgeschehen lenken. Aber vielleicht wird es auch noch viel schlimmer. Man denkt zwar immer, schlimmer könne es nicht werden, aber dann kommt es doch immer noch dicker.
Wie haben Sie, als Sie in den USA drehten, die Stimmungslage empfunden? Droht da wirklich die Spaltung einer Gesellschaft?
Ich bin ja hauptsächlich an den beiden Küsten, in den großen Städten New York und Los Angeles. Fast alle Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind gegen Trump. Die sind völlig erschüttert und deprimiert ob der Situation. Und wünschen sich nichts sehnlicher, als dass das ganz schnell vorbeigeht. Ich bin als Weltbürger schon entsetzt darüber, was der mit unserer Welt anstellt und wie viel Schaden das schon angerichtet hat und noch anrichten wird. Aber wenn ich Amerikaner wäre, wäre ich am Boden zerstört. Ich kenne auch schon Leute dort, die ernsthaft überlegen, nach Kanada zu ziehen. Ich will mir die USA durch Trump aber auch nicht madig machen. Und es war mir immer sehr wichtig, mit Leuten dort zu sprechen, um die Rückbestätigung zu kriegen, dass viele diesen Menschen verachten. Aber ich war für "First Avenger: Civil War" auch für längere Zeit in Atlanta, da spürst du schon den Südstaatengeruch, da ticken die Leute anders.
"The Alienist" ist eine Netflix-Produktion. Alle klagen, dass nur noch gestreamt wird, und dass keiner mehr ins Kino geht.
Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Das Kino hat es derzeit verdammt schwer. Und natürlich steckt eine große Verführung und Erfüllung darin, eine Figur, eine Handlung über einen solch langen Zeitraum zu entwickeln. Das ist beim Film manchmal schon sehr restriktiv. Ich gebe zu, ich war Feuer und Flamme, auch mal bei einem Serienprojekt dabei zu sein. Aber ich brenne nach wie vor fürs Kino. Und das muss man auch verteidigen.
"7 Tage in Entebbe" startet am Donnerstag auch in Hamburger Kinos, u. a. im Cinemaxx Dammtor und im Abaton
https://www.abendblatt.de/kultur-live/article214172701/Vielleicht-haben-die-Leute-mich-vergessen.html