Eine der vielen positiven Kritiken in Deutschland (ich poste die jedoch nicht in Massen jetzt hier, ich denke, es reicht zu wissen, dass der Film allgemein sehr, sehr hoch eingeschätzt wird) über "Frost/Nixon", von Filmreporter.de, die zusätzlich auch noch sehr gut das wiederspiegelt, was den Film hauptsächlich ausmacht:
Zitat:
Regisseur Ron Howard gelingt mit der Verfilmung der berühmten Nixon-Interviews Außergewöhnliches. Kein Mord, Sex oder Gewalt - über die Dauer des Filmes fällt nicht ein Schuss, man sieht keinen einzigen nackten Körper, nicht die kleinste Verfolgungsjagd - in "Frost/Nixon" wird nur diskutiert. Dass dennoch die Spannung aufrecht erhalten wird, ist hoch zu bewerten. Die Tatsache, dass der Ausgang der Interviews bekannt ist, erschwert das ambitionierte Vorhaben zusätzlich; zumal früh der vierte und letzte Tag der Interviews als Kulminationspunkt auszumachen ist. Wie schafft es Howard trotzdem, Spannung aufzubauen? Und das, obwohl Howard gleich mit mehreren elementaren Regeln bricht, statt einen geradezu klassischen Spannungsbogen aufzubauen? Dies gelingt vornehmlich durch die historische Bedeutung der Gespräche. In den ersten Minuten sorgen Originalaufnahmen von Nixons des Rücktritt für Gänsehaut. Im weiteren Verlauf wirddie Tragweite der Watergate-Affäre deutlich: Das große amerikanische Trauma der siebziger Jahre wurde zu einer Bewährungsprobe für die US-Demokratie. Zum einen hebelt die Zusicherung von Straffreiheit für Nixon die selbstregulierende Kraft des rechtsstaatlichen Systems aus. Und das auf dem Höhepunkt des kalten Krieges, wo sich Kommunismus und Demokratie als Gegenpole im Kampf zweier konträrer Ideologien gegenüberstehen. Zum andern wird der Gesellschaft die kollektiven Aufarbeitung durch Nixons Weigerung, Stellung zu beziehen, erschwert.
Durch den ersten, kurzen Dialog Frosts mit seinem Berater James Reston (Sam Rockwell) bekommt der Zuschauer ein Gefühl für die Tragweite des ganzen Vorgangs. Bemerkenswert ist, dass Ron Howard seinen Akteuren die Implikationen all dessen nicht ausdrücklich in den Mund legt -psychologische Auswirkungen, Frust und Desillusionierung der Gesellschaft kann sich der Zuschauer selbst erschließen. Damit umschifft der Regisseur gekonnt eine weitere Klippe: oft haben politische Filme durch unelegant hingeworfener Informationen, Lehrfilmcharakter. "Frost/Nixon" streut gerade so viel Informationen dezent in die Dialoge ein, dass diese noch authentisch wirken. Dadurch erhält das Drama seinen Unterhaltungswert. Die Interviews sind zu einem Zweikampf stilisiert. Immer wieder werden Metaphern aus dem Boxen bemüht. Das ist für ein seriöses Gespräch weit hergeholt, möchte man meinen. Mitnichten: Es erstaunt wie treffend die Sprachbilder sind und für Dramatik sorgen: "Lehn Dich vor, geh in den Nahkampf!" oder "Unterbrich ihn, geh in ihn rein, geh ins Gespräch rein! Lass ihn nicht ausholen!" So wird Frost ständig instruiert und motiviert.
Herausragend ist die Leistung von Frank Langella. Dem Schauspieler ist bei der Verkörperung von Richard Nixon höchstens vorzuwerfen, dass er das Original übertrifft. Der Charme Nixons zieht einen in den Bann. Kommt Langella ins Bild hat man stets das Gefühl, ein Hauch Geschichte wehe durch den Kinosaal. Körperhaltung, Gestik, vor allem der Gang mit den für Nixon typischen kurzen Schritten - von dieser Person geht eine Faszination aus. Howard wollte von Anfang an Langella für diese Rolle. Schließlich hat dieser zwei Jahre an der Seite von Michael Sheen in Peter Morgans Broadway-Inszenierung von "Frost/Nixon" gespielt. Dafür wurde er mit dem Tony, dem wichtigsten US-Bühnenpreis, ausgezeichnet. Konsequenterweise wurde Langella für den Golden Globe nominiert und gilt auch als potentieller Oscarkandidat.
Eine tragende Rolle kommt auch dem Medium Fernsehen zu. Es ist unumstritten, dass Richard Nixon 1960 im Kampf um die Präsidentschaft John F. Kennedy unterlag, weil letzterer das Fernsehen in den ersten live übertragenen TV-Duellen besser nutzen konnte. Darauf geht Howard ebenfalls ein: Nixon achtet in den Interviews mit Frost stets auf seine Maske, sein Team lässt vertraglich festlegen, dass das Abwischen des Schweißes von der Oberlippe nicht gezeigt werden darf - dennoch unterschätzt es erneut die Macht der Nahaufnahmen. Bei allem Lob hat Howard auch ein wenig geschummelt: David Frost war nicht so unbedarft, wie suggeriert wird. Es ist falsch, ihn als eindimensionalen, oberflächlichen Showmaster zu zeichnen. Vor den Nixon-Interviews hatte er bereits Erfahrungen mit politischen Themen gesammelt. So machte er über Jahre eine erfolgreiche Polit-Satire. Ob Nixon das Interview mit David Frost als Sprungbrett für eine erneute Präsidentschaftskandidatur sah, ist zumindest fragwürdig. Auch Ansätze von Wutausbrüchen sind in den Originalinterviews so nicht erkennbar; Nixon war viel zu abgebrüht um unvorteilhafte Emotionen vor der Kamera zu zeigen. All das ist jedoch verzeihen. Nicht, weil der Film so fantastisch ist, sondern weil "Frost/Nixon" nicht Sinn entfremdend vom wahren Geschehen abweicht. Howard bedient sich lediglich dem Stilmittel der Übertreibung.