|
Lovelace's dearest creature |
|
Registriert: 21.10.2006, 15:38 Beiträge: 20027 Wohnort: Cottage-Garten
|
Achtung !
Die vorkommenden Personen sind zum Teil und die Handlung frei erfunden. Alles andere wäre rein zufällig.
Die Neujahresüberraschung
Heftig klopfte es an der Tür. Sie war eh schon nervös genug. Hastig suchte sie ihre Unterlagen in ihrem Büro zusammen. „Hey, Doris! Wo bleibst du nur? Das Stück. Na ja, genauer gesagt dein Stück ist gleich zu Ende. Wir erwarten dich auf der Bühne. Oder willst du etwa deine eigene Premiere verpassen? Schließlich will doch das Publikum wissen, wer für das Stück verantwortlich war.“ Völlig entnervt drehte sich Doris nun um. Sie sah ihren Assistenten an der Tür stehen, der sie angrinste. „Und außerdem“, fuhr er fort, „kommt gleich dieser Verleiher.“ „Welcher Verleiher?“, fragte Doris. „Na, den von der Verleihfirma. Der sich bei dir auf dem Board, für die Unterstützung bedankt hatte. Dafür, dass du hier im Lande so fleißig, den Film deines Lieblings publik gemacht hast. Du weißt doch, dass er eine Überraschung für dich hat.“ „Ach ja, hätte ich beinahe vergessen. Erik, in bin gleich da.“ „Okay.“ „Ist mein Mann schon da?“ „Nein, noch nicht.“ „Noch was, wenn der Verleiher kommt, begrüßt du ihn höflich und bietest ihn was zu trinken an.“ „Wird gemacht.“ Kaum sprach er es aus und schon war er auch weg. Doris drehte sich wieder um und widmete sich dem verzweifelten Suchen ihrer Unterlagen. Sie bemerkte nicht einmal, dass es erneut an der Tür geklopft hatte. „Hallo Doris!“, sagte eine warme samtige und wohlklingende Männerstimme. Aber, in ihren Ohren fremde Stimme. Die, dass musste sie zugeben, ihr doch irgendwie bekannt vorkam. Langsam drehte sich Doris um und erstarrte. Sie glaube zu träumen. Oder war es vielleicht ein Trug ihres Gehirns? Da stand er. Groß. Er sah gut aus. Noch besser als all in seinen Filmen oder auf Fotos. Lächelnd kam er zu ihr. Beugte sich ein wenig zu ihr hinunter und küsste sie links und rechts auf ihre Wange. „Wie geht es dir?“, fragte er. „Wie es mit geht?“, kam es aus ihr völlig geplättet heraus. „Danke. Gut“, antwortete sie leicht verwirrt. Er lächelte sie an. Genau mit diesem charmanten Lächeln, dass sie auf sämtlichen Fotos und Interviews von ihm gesehen hatte und dass sie so liebte. „Ich habe viel von dir gehört.“ „Tatsächlich?“, fragte Doris erstaunt. „Ja. Mein Agent hatte mich letztendlich davon überzeugt, dich kennen zu lernen. Der deutsche Verleiher sprach in höchsten Tönen von dir und hat dich in allen Maßen hoch gelobt, dass du meinen Film so gut publiziert hast. Na ja, da dachte ich, das muss irgendwie belohnt werden. Ich bin eh erstmal in Deutschland. Sehe mich nach passenden Drehorten um. Es ist unter anderem mein eigenes Projekt. Wir drehen demnächst einen Zweitteiler fürs Fernsehen. Darin spiele ich einen britischen Offizier im 2. Weltkrieg kurz vor Kriegsende. Außerdem habe ich gehört, dass du an einer Biografie arbeitest. Genau genommen an meiner. Ich fühle im sehr geschmeichelt. Aber, dass können wir doch beim Essen besprechen. Ich lade dich auch ein. Nachher. Nach der Premiere.“ Doris sah ihn verunsichert an, dachte sie hätte sich verhört. Alles was sie darauf sagen konnte war: „Natürlich. Sehr gern. Es wird mir ein großes Vergnügen sein, Matthew.“ „Mir auch, Doris“, sagte er und zwinkerte sie schelmisch an.
Matthew half ganz galant und wie ein Gentlemen Doris aus ihrem Mantel, nachdem sie das kleine gemütliche Lokal betreten hatten. Er bot ihr kurz danach einen Stuhl an einem Tisch an. Sie setzte sich hin. Er dann ebenfalls. Gleich darauf kam der Kellner zu ihnen. Sie bestellten sich Rotwein und das Essen. Doris wusste genau, was Matthew mag. Er war erstaunt, dass er genau das essen wollte, worauf er Appetit hatte. Matthew sah sie bewundernd an.
„So, Doris“, sagte Matthew nach einer Weile, „dann zeigt mir bitte doch mal deinen Entwurf zur meiner Biografie.“ Zögern überreichte sie ihm den Entwurf. „Es sind bis jetzt nur Stichpunkte meiner bisherigen Recherchen.“ „Toll“, sagte er, setzte sich seine Brille auf und las. Doris konnte beobachten, wie sich seine Gesichtszüge veränderten und ernster wurden. Ach herrje, wäre ich nie auf diese Idee gekommen, schoss es ihr durch den Kopf. „Mensch, Doris, du weißt ja mehr von mir als ich selber.“ Ihr Magen zog sich zusammen. Wirklich blöde Idee, Doris! Wirklich blöd! Matthew sah sie wieder an. Aber ernst. Dann huschte ihm ein Lächeln übers Gesicht. „Also, dass was ich jetzt so gelesen habe, liest sich sehr gut. Bis auf einige Punkte.“ Doris wurde blass im Gesicht. „Welche?“, fragte sie verunsichert. „Na, die über meine Familie. Ich möchte, dass sie privat bleiben. Es ist jetzt nicht so, dass sie anstößig wären oder so. Ich will nicht, dass ich vielleicht noch Ärger mit meiner Frau bekomme.“ „Selbstverständlich.“ Doris strahlte. Genau deswegen, war es ja meine Idee die Biografie zusammen zu machen, dachte sie sich. „Wir werden daran arbeiten.“ Doris glaubte sich verhört zu haben. „Was? Was hast du gerade gesagt?“ „Dass wir zusammen daran arbeiten werden.“ „Ist das dein Ernst?“ „Ja. Mein Vollkommender. Wenn es dann noch witzig geschrieben wird, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Obwohl ich von Biografien nicht so sehr begeistert bin. Jedenfalls von meiner. Ich komme mir dann immer mit meinen 32 Jahren so steinalt vor.“ Doris lachte, Matthew konnte ihrem Lachen nicht widerstehen und lachte mit. „Ähm“, fuhr er fort, „betrachten wir das Ganze als Zwischenbilanz in meinem Leben. Okay?“ „Ja.“ „Was macht’s du so beruflich?“ „Eigentlich bin ich Dramaturgin. Aber auch Maskenbildnerin…“ „Maskenbildnerin?“, fragte er erstaunt. „Ja“, antwortete sie ihm. „Na ja, Regie führe ich auch noch oder trete auch ab und zu mal auf. Je nach dem welche Rolle es ist.“ „Wow. Ich bin beeindruckt. Dann sind wir ja eigentlich Kollegen.“ „Hm, so könnte es man auch sehen.“ „Wer war eigentlich der nette Herr, der seinen Arm um dich gelegt hatte? Vorhin im Theater.“ „Mein Mann.“ „Dein Mann?“ „Ja.“ „Wie lange seit ihr verheiratet, wenn ich mal fragen darf?“ „Dieses Jahr werden es 26 Jahre.“ „Was, so lange?“ „Ja. Ich kann es immer selbst nicht glauben, wie schnell die Zeit vergangen ist.“ „26 Jahre. Mal sehen, ob ich es mit Keeley auch schaffen werde. Hey, du bist jetzt mein Vorbild.“ „Ach, nicht doch“, sagte Doris verlegen und errötete ein wenig. „Kinder?“ „Ja. Zwei. Eine Tochter und einen Sohn.“ „Habe ich auch.“ „Ja, ich weiß. Aber, meine Kinder sind schön längst aus den Windeln raus.“ Matthew pustete vor Lachen und sagte: “Doris, du ist so witzig. Ich mag so was. Ehrlich!“ Doris wurde knallrot im Gesicht: „Na ja, wenn du es sagst.“ „Ach ja, wie mir mein Agent erzählt hatte, bist du noch Moderatorin eines Boards.“ „Ja, bin ich. Eigentlich ist es das deutsches Richard Armitage Board. Da ich die Administratorinnen wissen, dass ich ein großer Fan von dir bin, haben sie für mich extra ein Unterforum eingerichtet. Ich bin dort nicht die Einzige, die von dir schwärmt.“ „Und über was redet ihr so im Board? Ich meinte eher über Richard.“ „Ach, alles mögliche. Über seine neusten Projekte. Die Filme, die er zurzeit macht.“ Sagt ich’s, dachte sich Doris, oder sag ich’s nicht. „Und dann über ihn.“ Okay, ich hab’s gesagt. „Und was so?“ „Na ja“, sagte Doris zögernd, „Seine möglichen Rollen. Haare, Blick, Beine…“ „Was seine Beine?“ Doris lachte: „Ja. Er wird dort auseinander genommen, wie eine Weihnachtsgans.“ „Der arme Mann“, sagte er und grinste. „Ich weiß nicht genau, ob Richard schon auf eurer Seite gesurft hat. Aber, wenn er das alles liest, muss er doch vor Scham im Boden versinken oder sich köstlich dabei amüsieren.“ „Ich denke eher das Letztere. Keine Sorge, unsere Kommentare sind nicht beleidigend. Wir sind auch keine gestörten Fans, die ihm auflauern oder so. Unsere Beiträge sind witzig geschrieben. Ich bin gerne dort. Fast jede, die sich dort angemeldet hat, ist regelrecht süchtig nach dem Board. Glaub mir, im wahren Leben sind wir alle anständig und haben immer noch unser eigenes Leben.“ „Hört sich nach Spaß im Board an.“ „Oh ja, ist es auch. Kennst du eigentlich Richard?“ „Nicht privat. Aber, meine Frau hat ihn mir mal vorgestellt, als ich sie vom Dreh zu Vicar of Dibley abgeholt hatte. Keeley schwärmt in höchsten Tönen von ihm. Sie arbeitet gern mit ihm zusammen. Wenn sie die Gelegenheit dazu hat. Sie kennen sich schon von einem anderen Dreh her. Richard ist auch sehr nett. Umgänglich und sehr beliebt auf dem Set. Kein Wunder, wenn er solchen Charme auch versprüht. Und über was redet ihr so über mich?“ „Ähm, deine Hauptrollen, erfundene Geschichten über dich…“ „Ich werde doch nicht etwa auch auseinander genommen wie eine Weihnachtsgans. So wie bei dem lieben Richard“, unterbrach er sie liebevoll. Doris grinste diabolisch und dachte sich: Noch nicht, mein Lieber. Noch nicht. Aber, was nicht ist kann ja noch werden. „Nein“, antwortete sie ihm wahrheitsgemäß. „Puh, dann bin ich ja erleichtert.“ Doris lachte. „Also, Doris“, sagte Matthew und hob sein Weinglas. „Auf gute Zusammenarbeit!“ Er hielt ihr sein Glas entgegen. Doris hob auch ihr Glas und zusammen ließen sie die Gläser erklingen. „Auf gute Zusammenarbeit!“, sagte sie. „Wenn du das nächste Mal bei mir bist, werde ich für dich kochen.“ Matthew verschluckte sich beinahe. „Was du willst für mich kochen?“ „Ja. Ich mache das sehr gerne.“ „Ich…“ „Du auch. Ich weiß.“ „Gut, dann kochen wir das nächste Mal etwas zusammen.“ „Toll!“ In der Zwischenzeit wurde das Essen an den Tisch gebracht.
Doris konnte es kaum fassen, wie leicht, locker und einfach es war, mit Matthew zu reden. Ihrem Matthew. Sie erfuhr vieles von ihm, was sie noch nicht wusste. Ihr kam es nicht vor, als wäre sie sein größter Fan. Nein, eher als würde sie sich schon seit Ewigkeiten kennen.
„Mr. MacFayden?“, hörte Doris eine Stimme sagen. Sie sah, dass Matthew, zu irgendjemand hoch sah. „Entschuldigen sie, ich will sie nicht unterbrechen. Ihr 11 Uhr Termin wartet.“ Doris drehte sich nun auch zu dem Mann um. Sie sah einen älteren Herrn in Chauffeursuniform neben ihr stehen. „Natürlich“, antwortete Matthew ihm. „Hätte ich beinahe vergessen. Doris.“ Er sah sie wieder an. „Tut mit leid.“ „Ist schon gut.“ „Herr Ober, wir wollen zahlen.“ Doris kramte in ihrer Tasche. „Nein, Doris. Ich hab dir doch versprochen, dass ich dich einlade.“ „Ja, schon. Aber…“ „Nichts aber. Das Essen geht auf meine Rechnung.“ „Danke“, sagte sie verlegen. So wie Matthew ihr aus ihrem Mantel half, so half er ihr wieder ganz galant in ihren Mantel.
Als sie die Straße betraten, blieb er vor ihr stehen. Nur einen Schritt entfernt. „Es war mir ein Vergnügen, dich kennen gelernt zu haben“, sagte er. „Mir auch, Matthew. Mir auch.“ „Wie lange spielt noch dein Stück?“ „Bis Ende März.“ „Wenn ich Zeit habe, sehe ich’s mir an.“ „Was?“ „Natürlich, wenn du nichts dagegen hast.“ „Nein, natürlich nicht.“ „Ich bringe dann auch Keeley mit.“ „Was?“ „Keeley, meine Frau.“ Matthew, bist du verrückt? Ich will dieses Unheil nicht kennen lernen, schoss es durch ihren Kopf. Komme lieber allein. Doris, bist du nicht mehr bei Sinnen? Schiebe doch einfach mal deine Vorurteile, die du gegen sie hast, beiseite. Vielleicht ist sie ja ganz nett. „Okay“, sagte sie, „bringe sie ruhig mit.“ „Prima!“ „Können wir dich noch ein Stück mitnehmen?“ „Nein danke. Ich wohne gleich um die Ecke.“ „Gut, wie du willst.“ Matthew trat nun dicht vor ihr, beugte sich wieder ein wenig zu ihr hinunter und küsste sie links und rechte auf die Wange. Das gleiche tat dann auch Doris bei ihm. Schließlich war die Gelegenheit ziemlich günstig gewesen. „Wir hören wieder voneinander.“ „Auf jeden Fall!“ „Bis bald!“ „Ja, bis bald!“ Doris sah, wie der Chauffeur Matthew die Autotür aufhielt und Matthew elegant in das Auto einstieg. Kaum war er drin und schon verschwand das Auto in die tiefe Nacht. Doris sah noch die Rücklichter von weiten, bis das Auto um die Ecke bog. Noch immer glaubte sie nicht so recht, ob sie alles geträumt hatte. Nein, sie hatte, dass musste sie zugeben, nicht geträumt. Doris sprühte immer noch seine warmen Lippen auf ihren Wangen. Noch nie, war sie je so glücklich, wie in diesem Moment. Matthew will mit ihr zusammen arbeiten. Er will tatsächlich mit ihr an seiner Biografie arbeiten. Ein wahr gewordener Traum.
„Mutti? Hey, Mutti!“ Jemand rüttelte an Doris. Doch sie schien es ernst nicht zu merken. „Mutti“, sagte die Stimme schon etwas strenger. Leicht benebelt wachte Doris aus ihrem schönen Traum auf und sah ihre Tochter vor ihr stehen. „Was ist?“, fragte Doris. „Es ist kurz vor halb acht. Sei froh, dass ich noch mal gekommen bin. Sonst hättest deine eigene Premiere verschlafen.“ „Welche Prem…Mist.“ Doris hatte, bevor sie wieder zum Theater wollte, sich gemütlich auf ihre Couch gelegt. Sie wollte sich nur ein bisschen ausruhen und war tatsächlich vor Erschöpfung eingeschlafen. Doris sprang auf und küsste ihre Tochter auf die Wange. „Ich danke dir mein Töchterchen!“ „Ja, ja, ist schon gut. Vergiss nicht. Heute ist der Mann von der Verleihfirma im Theater. Wie du ja weißt, hat er eine Überraschung für dich.“ „Stimmt, hätte ich beinahe vergessen“, sagte Doris, schnappte sich noch ihre Tasche und verschwand mit ihrer Tochter in Windeseile aus ihrer Wohnung.
Ohne zu ahnen, was nun tatsächlich auf sie zukam.
ENDE
_________________
|
|