Zweifelnd vor dem Nachtischbüffet stehend, entscheidet schließlich der plötzlich neben uns auftauchende Ian McKellen im Gandalf-Kostüm, dass wir doch ruhig noch ein Stückchen Kuchen nehmen sollen. Aber dann muss die Schokotorte doch noch warten, denn obwohl er eigentlich einen drehfreien Tag hat, kommt der britische Schauspielstar Richard Armitage („Captain America: The First Avenger“) extra am Set vorbei (--> zu unserem ausführlichen Setbericht), um sich mit uns im Catering-Zelt über seine Rolle als Zwergen-Anführer Thorin Oakenshield in „Die Schlacht der Fünf Heere“ zu unterhalten. Und da gibt es ja tatsächlich einigen Diskussionsbedarf, schließlich gilt es ja gerade bei dieser Figur, im finalen Teil noch einige charakterliche Abgründe auszuloten…

FILMSTARTS: Wie gespannt bist du auf die dunkle Entwicklung, die Thorin im dritten Film durchmachen wird?

Richard Armitage: Ich bin sehr gespannt, denn ich weiß nicht genau, welche Versionen der gedrehten Szenen Peter Jackson am Ende auswählen wird. Aber die eine Sache, die ich unbedingt erreichen wollte, war eine gewisse Inkonsistenz in seinem Charakter. Auf diese Weise wollte ich die mentale Instabilität der Figur zeigen, ähnlich wie bei einer Psychose, bei der die Leute auch unberechenbar werden.

FILMSTARTS: Du sagst also, er verliert ein Stück weit seinen Verstand. Wie war es, das zu spielen?

Richard Armitage: Es ist kompliziert, denn wenn man als Schauspieler einen Charakter formt, strebt man ja eigentlich eine gewisse Konsistenz an, alle Handlungen der Figur sollen einen Sinn ergeben. Man versucht also, alles zu rationalisieren. Und wenn man diese Art von Wahnsinn spielt, tut man im Endeffekt das genaue Gegenteil. Man nimmt zum Beispiel zwei aufeinanderfolgende Szenen und stellt seine Stimmung absichtlich als so konträr wie möglich dar, so dass er in beiden Szenen fast wie zwei verschiedene Charaktere wirkt. Manchmal ist Thorin sehr beschwingt und voller Leben, aber dann auch wieder völlig schlapp und ohne jede Energie. Nach diesem Schwarz und Weiß habe ich gesucht.

FILMSTARTS: Natürlich haben Peter Jacksons Mittelerde-Filme eine gigantische Schar an Fans. Kannst du das als Schauspieler genießen?

Richard Armitage: Um ehrlich zu sein, halte ich mich davon während des Drehs eher fern und schaue nichts online nach oder so, ich bevorzuge den persönlichen Kontakt. Meine Erfahrungen mit den Fans habe ich also bei Veranstaltungen wie der Comic Con oder einem Q&A in Australien gemacht, wo man Fragen direkt von den Zuschauern im Publikum bekommt. Diese Leute denken über die Feinheiten eines Charakters oft genauso viel nach wie der Schauspieler, der sie verkörpert – und ich finde es inspirierend, solche detaillierten Fragen gestellt zu bekommen.

FILMSTARTS: Wie ist es, als Neuling zu einem Cast mit solchen Mittelerde-Veteranen wie Orlando Bloom oder Ian McKellen zu stoßen?

Richard Armitage: Am wichtigsten ist, dass man seine Vorurteile zur Seite räumt. Ich weiß ja noch, welche Einstellungen ich zu den Charakteren beim Schauen von „Der Herr der Ringe“ entwickelt habe, vor allem zu Gandalf. Aber was ich von Gandalf halte, spielt jetzt keine Rolle mehr, es geht nur noch darum, was Thorin über ihn denkt. Man muss die Charaktere wie Gandalf also noch einmal neu kennenlernen, als neue Personen. Aber das ist eben, was Schauspielerei ausmacht. Außerdem spielt „Der Hobbit“ ja eine lange Zeit vor „Der Herr der Ringe“, also hat auch Ian McKellen für sich ein neues Bild von Gandalf für die zweite Trilogie kreiert.

FILMSTARTS: Warst du eigentlich überrascht, als Peter Jackson verkündet hat, dass es nun drei statt nur wie ursprünglich geplant zwei „Hobbit“-Filme geben wird?

Richard Armitage: Ich war ja schon überrascht, dass sie zwei Filme und nicht nur einen machen. Aber als wir dann mit dem Drehen anfingen, das Skript immer detaillierter wurde und unsere Charaktere immer mehr Facetten bekamen, wurde es dann deutlich, dass das einfach zu viel sogar für zwei Filme ist. Es ist sogar zu viel für drei Filme! Sie mussten Stunden und Stunden gedrehtes Material herausschneiden und für die Extended Version aufheben, weil es nicht in drei Filme hineingepasst hätte. Und das liegt nicht etwa daran, dass sie sich etwas aus den Fingern saugen, nur um einen Film füllen zu können. Sie sind vielmehr so fasziniert von all den Charakteren, dass sie ihre Geschichten so sorgfältig wie möglich erzählen wollen. Ich denke, die Extended Cuts werden deshalb für jeden der Filme so um die viereinhalb Stunden lang sein.

FILMSTARTS: Der Ork Azog verfolgt Thorin seit dem ersten Film. Wird es eine Kampfszene zwischen den beiden im dritten Film geben und hast du die vielleicht mit dem Schauspieler Manu Bennett schon gedreht?

Richard Armitage: Ich weiß es selbst noch nicht genau. Das war für mich übrigens eine der großen Überraschungen beim Schauen des ersten Films, denn ich bin dem Charakter ja nie Angesicht zu Angesicht begegnet. Wenn ich am Set gekämpft habe, dann immer nur mit einem grünen Ball an einem Stock oder einem Mann im grünen Anzug. Ich habe allerdings die lebensgroße Statue von Azog gesehen, die WETA dieses Jahr für die Comic Con hergestellt hat. Ich habe mich vor sie gestellt, um einmal zu fühlen, wie einschüchternd der Charakter wirklich ist. Habt ihr die Figur auch gesehen?

FILMSTARTS: Nein, leider noch nicht.

Richard Armitage: Ich wollte nämlich in erster Linie herausfinden, ob ich ihn schlagen könnte, so allein von der Höhe her. Aber ich konnte ihn nicht erreichen, er ist einfach zu groß, Thorin bräuchte also auf jeden Fall ein langes Schwert.

FILMSTARTS: Wie wäre es eigentlich, eine bärtige Zwergin zu küssen?

Richard Armitage: Das verwendete Haar ist ein wenig wie das Material in Klettverschlüssen – und wer einmal eine bärtige Zwergin küsst, der kommt deshalb im wahrsten Sinne des Wortes nie mehr von ihr los.