Ich komme ein bißchen spät zu dieser Party, aber nach den Weihnachtstagen möchte ich nun doch auch noch meinen Senf abgeben bzw. meine Seheindrücke zusammenfassen, bevor sie allzu sehr verblassen. Ich war - um das vorauszuschicken - zweimal bis zum 4. Advent im Film, beide Male mit dem geballten technischen Schnickschnack, der möglich ist, wenn auch nur einmal mit der ganz großen IMAX-Leinwand, die man bei der OV leider nicht immer bekommt.
Ich bin inzwischen, eigentlich aber schon seit dem ersten Teil, vollkommen überzeugt von HFR. Dafür und damit wurden die Filme gemacht und in diesem Format funktionieren sie.
Sicher kommt mir durchaus entgegen, dass ich absolut keine optischen Eingewöhnungsschwierigkeiten damit habe. Ich setze die 3D-Brille auf und los geht's.
Möglicherweise habe ich mich sogar schon allzu gut an das Format gewöhnt. Während ich mich beim ersten Film noch dabei erwischt habe, mich vor dem heranfliegenden Insekt "wegzuducken" u.ä., lösten die an mir vorbei ziehenden Lanzen im dritten Film kein reflexhaftes Zucken mehr aus.
Ich bin mit einer sehr geringen Erwartungshaltung in den Film gegangen, denn die Aussicht auf 45 Minuten Schlachtdarstellung ermutigte mich persönlich nicht gerade - Fantasy und Action sind nicht unbedingt "meine" Genres, wie Ihr wisst. In dieser Hinsicht hat mich zudem der zweite Teil geschädigt, den ich persönlich in der Gesamtschau am schwächsten finde. Dort wird nach meinem Geschmack am wenigsten erzählt und am meisten (z. T. handlungsunrelevant ausufernd) "geschlachtet", was erst die SEE zurechtrückt. Allein der Umstand, dass ich innerhalb kürzester Zeit zweimal in BotfA war - einmal in erfreulicher Begleitung eines Board-
- spricht Bände: Ich finde den letzten Film der Hobbit-Trilogie wirklich gelungen. Nach dem ersten Kinobesuch dachte ich noch, dass meine niedrige Erwartungshaltung die positive Wahrnehmung allzu sehr bedingt hätte, aber das zweite Anschauen mit genauerem Blick für Details, Choreographien und Schnitte hat zu keinem anderen Ergebnis geführt. Meines Erachtens wird die Balance zwischen "traditionell-altmodischem" Erzählen und wuchtiger Schlachtendarstellung mit den neuesten technischen Möglichkeiten ebenso gut gehalten wie die zwischen (Helden-)Pathos und Humor. Die beständige Überblendung und Abwechslung von Massenkampfszenen und Einzelkämpfen, typisch für die Tradition heldenepischen Erzählens, sorgt dafür, dass die Schlachtdarstellung nicht zu statisch wird, ebenso wie die unterschiedlichen Choreographien der Heere, die gleichzeitig die Eigenarten dieser Gruppen pointiert charakterisieren. Mit professionellem Blick auf heldenepisches Erzählen würde ich meinen, dass zum einen auch Tolkien mit dieser Umsetzung zufrieden wäre, zum anderen die Kinofassung wie auch die zu erwartende SEE beide zwei "klassische" Varianten der Stoffbearbeitung repräsentieren (werden), die in sich dann jeweils sehr stimmig sind. Aber dazu komme ich später ausführlicher, da es Episoden betrifft, die für Kontroversen sorgen.
BotfA ist DER Film der TH-Kern-Darsteller: Luke Evans und Ryan Gage liefern vor allem zu Beginn großartige Leistungen. Auch die Bogenersatzlösung - PJ's Variante von 'Wilhelm Tell'
- ändert daran grundsätzlich nichts. Die humorig-auflockernden Episödchen mit RG, die trotzdem weder undidaktisch noch maßlos übertrieben sind, empfinde ich als gelungenes Gegengewicht zur dramatischen Handlung. Und Bards Festhalten am Glauben an das Gute in Alfrid bis (fast) zum Schluss regt nicht nur zum Nachdenken an, sondern verweist auf eine zentrale Qualität der Darstellung vieler wichtiger handlungstragender Figuren in diesem Film: es gibt kein schwarz und weiß, gut oder böse. Bei Thranduil bleibt es in dieser Hinsicht bei seiner Schlussepisode mit Legolas allerdings bei einer allzu kurzen Andeutung, während Bilbos Tricks und Kniffe, v.a. aber Thorins Wandlungen die allerbesten Beispiele dafür sind. Dieser Film ist letztlich DER Teil von Martin Freeman und - ganz besonders - von Richard, sowohl und ganz besonders in ihrem Zusammenspiel als auch in ihren Großeinstellungs-Monolog- und Schweigeszenen.
Neben der Abschiedszene finde ich Bilbos Kampf um die Aussage, dass Thorin sein Freund war, besonders (be-)rührend. Galadriel, Gandalf, Elrond, ... gehören mit in den Film, um sowohl den Bogen zwischen den drei TH-Filmen zu spannen (und wir müssen ja nun erfahren, wie es nach der Gefangennahme von Gandalf weitergeht) als auch die Anschließbarkeit an LotR zu gewährleisten, aber sie verblassen hinter dem eigentlichen Personal von TH . Auch in diesem Fall finde ich allerdings den "Nebenschauplatz" im zweiten Film viel ausufernder und ablenkender als die eine Episode im 3. Film, mit der ich gut leben kann.
Richard liefert eine perfekte Leistung als Thorin ab, der sich von der Drachenkrankheit beherrschen lässt und dem es schließlich doch noch gelingt, sich davon aus eigener Kraft zu befreien. Mimik, Gestik und der Einsatz seiner Stimme - alles passt!
Er empfiehlt sich mit seiner Leistung für eine Diktatoren-/Despotenrolle und gleichzeitig kann man anhand der einen oder anderen Szene ganz gut erkennen, was und wen er sich da als Vorbereitung so angesehen hat, was die allzu platt-verkürzenden Hitler-Nennungen in den Print-Interview bisher nur erahnen ließen. (Mich persönlich erinnerte die eine oder andere Einstellung des einsamen, vom Wahn getriebenen Thorin im riesigen Thronsaal übrigens außerdem an Ludwig II.) Die Episode, in der sich Thorin von der Drachenkrankheit befreit, ist für mich ein absolutes Highlight - sowohl schauspielerisch, aber auch von der technischen Umsetzung bis hin zum goldenen Drachen, der unter dem Fußboden entlang gleitet. Dieser Moment ist der Umschlagpunkt, in dem Thorin wieder zum positiven Helden wird, der kaum überzeugender dargestellt werden könnte.
Neben Richards Spiel tut auch PJ mit seiner Inszenierung so einiges dafür, dass Thorin eben nicht als Despot endet, sondern als Held in Erinnerung bleibt: Thorin schafft es, wenn auch nach den Appellen seiner besten Freunde, sich selbst von der Krankheit zu befreien und wieder zu dem zu werden, der er war. (Man beachte in diesem Zusammenhang den Umgang mit den Requisiten Krone, Königsmantel, Rüstung, ..., der den stetigen Wandel von Thorin unterstreicht und nach außen ebenso sichtbar macht, wie die Positionierung Richards/Thorins im Raum - isoliert-allein, abgeschottet hinter Mauern, als primus inter pares beim Aufbruch in die Schlacht ...). Dann ist da der nicht weniger kampfentschlossene Thranduil, der ganz ohne Drachenkrankheit (wenn auch aufgrund anderer Verhärtungen, die aber zu spät angedeutet und allgemein zu undeutlich bleiben) diese Schlacht in Kauf nimmt und sie wieder verlässt, als der Preis zu hoch wird, der Thorins verblendetes Verhalten relativiert. Im Unterschied zu ihm übernimmt der geheilte Thorin die Verantwortung und beendet den Krieg dadurch, dass er selbst den höchsten Preis dafür zahlt. Dass er dies bewusst tut, ist beeindruckend in Szene gesetzt, finde ich. Man kann die Entscheidungsprozesse Thorins auf Richards Gesicht ablesen, bevor er sein Schwert wegzieht, so dass Azog ihn tödlich treffen kann, er aber gleichzeitig den finalen Schwertschlag gegen ihn ausführen kann. Alles in allem ist es meiner Meinung nach absolut folgerichtig, dass Azog und Thorin aufeinandertreffen und das Ende so ist, wie es ist. Es ist die Logik der Heldenepik - egal wie der CGI-Azog aussehen möge. Und nach dieser Logik ist neben dem Abschied von und der Versöhnung mit Bilbo der Blick des sterbenden Thorin zurück auf das Schlachtfeld in dem Wissen, dass die Schlacht nun enden wird, ein versöhnliches Ende, auch wenn es für uns schwer zu verdauen ist. Der heldenepische Vorzeitheld kann seinem tödlichen Schicksal einfach nicht entgehen, aber er hat das beste daraus gemacht.
Damit abschließend noch etwas mehr zur Sterbeszene und dem, was wohl noch in der SEE kommt: Ich finde die gesamte Inszenierung berührend und gelungen, weder zu kurz noch zu lang. Auch wenn wir uns da vielleicht noch ein paar Sätze mehr zwischen Bilbo und Thorin wünschen würden, so bestünde doch die Gefahr, dass weniger Thorin-affine Zuschauer allzu viel Text schnell als Übertreibung empfänden, gerade weil es ja noch den Blick auf das Schlachtfeld gibt - so nach dem Motto: "Wann stirbt er denn nun endlich." Das wäre dann ziemlich kontraproduktiv. Die Wiederaufnahme des Baumpflanzmotiv finde ich sehr schön.
Ergreifend ist auch der Moment, in dem die Zwerge den Durins die letzte Ehre auf dem Eis erweisen. Beide Sequenzen zusammen stellen einen Abschied dar, der dem tapferen Kämpfer Thorin würdig ist und die "gegenwartsorientierte", persönliche Sichtweise repräsentiert, die Bilbo vertritt. Mir persönlich fehlt das, was in der SEE aller Voraussicht nach hinzu kommen wird und wodurch das mythisch-mythologische, überpersönliche Herrscherbild für die Zukunft entsteht (was im Film selbst so angekündigt wird), deshalb nicht. Ich bin im Gegenteil sehr gespannt darauf, ob ich eine Variante überzeugender finden werde bzw. ob und wie beide Fassungen nebeneinander funktionieren, so wie z.B. beim 'Nibelungenlied' die "Notfassung" und die "Liedfassung". Insofern finde ich es sehr interessant, wer welches Ende präferiert bzw. wie Ihr den Schluss derzeit auffasst und dann später einmal die SEE.
Es scheinen da zu allen Zeiten konträre Vorstellungen zu bestehen.