Ich fand es gut, Richard endlich wieder einmal auf der großen Leinwand zu sehen. Außerdem macht er seine Sache, wie ich finde, sehr gut. Leider konnte ich nicht in die OV, aber ich kann mir aufgrund des Trailers und der allgemeinen RA-Erfahrung sehr gut vorstellen, dass sein James als Komplettpaket in den nachehelichen Konfrontationsszenen noch ein Stück beängstigender und einschüchterner daherkommt als die synchronisierte Fassung. Trotzdem gelingt es ihm, in meinen Augen, auch Untertöne unterzubringen, wodurch die von Delpy doch scheinbar angestrebte Stereotypisierung leise durchbrochen wird: James mit Zoe auf dem Fußballplatz, James der mit seiner Trauer um Zoe kämpft und sie loszulassen versucht etc. Der eine oder andere Dialogmoment im Streit tut sein Übriges. Was er Isabell da bisweilen an den Kopf wirft, ist unzweifelhaft unterste Schublade. Allerdings bleibt sie ihm da nichts schuldig und setzt zudem das eine oder andere unschöne Wortgefecht selbst in Gang (so fängt sie mit der Auseinandersetzung um das eingeschlafene Intimleben an, die ins Unterirdische abgleitet). Bisweilen blitzt zudem auf, dass die Wahrheit wahrscheinlich, wie so oft, zwischen den subjektiven Wahrnehmungen liegt, wenn z. B. Angaben voneinander abweichen (Isabell sagt, dass sie ein Jahr nach Zoes Geburt erst wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte, James hält dagegen, dass sie bereits nach sechs Monaten wieder arbeiten ging). Isabell finde ich als Helikopter-Mutter 2.0 wahnsinnig anstrengend und ihr Alleingang nach Zoes Tod macht sie - ganz unabhängig davon, was man von der von ihr gewählten "Lösung" hält - mir nicht gerade sympathischer. (Ich glaube, sie macht sich und damit Delpy uns etwas vor, weil Zoe 2 trotz genetischer Gleichheit nicht Zoe 1 werden wird, da ihre Kindheit nicht identisch verläuft u.v.m. und Zoe 2 zu sein, wird deshalb sicher kein Zuckerschlecken sein.) Und die häufige Beschreibung in den Kritiken, dass sie ihre toxische Ehe hinter sich gelassen und erfolgreich in einem neuen Leben angekommen ist, ist allzu optimistisch. Nun muss ich mich mit keiner Figur identifizieren können, damit mich ein Film packt. Und ein Film kann gerade auch dann gut funktionieren, wenn er so inszeniert ist, dass man außenstehende/r Beobachter/in ist. Hier gelingt es aber nicht so recht, weil es zum einen nicht das ist, was Delpy wollte, zum anderen aber die Versuchsanordnung auch nicht konsequent genug durchgeführt wurde und an so mancher Stelle brüchig ist, z. B. hinsichtlich der Organspendethematik, bei der die möglichen und verständlichen Reaktionen von Angehörigen hier irgendwie falsch "verteilt" erscheinen, wenn man den weiteren Verlauf der Handlung bedenkt. Im Vergleich zu Julie Delpy und Richard finde ich Daniel Brühl in diesem Film leider recht farblos. Aber das mag auch an den Möglichkeiten liegen, die ihm das Drehbuch bietet. Für mich kommt jedenfalls viel zu kurz, warum er sich kurzfristig umentscheidet, doch auf Isabells Wunsch einzugehen, und ob er da wirklich mit sich ringt oder nicht.
_________________ Danke, liebe Boardengel, für Eure privaten Schnappschüsse.
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