Noch was zum Lesen! -- (Danke für Deine Hilfe Doris!!!!!)
Sie stand am Fenster und schaute hinaus. Auf dem Hof herrschte ein geschäftiges Treiben. Stative wurden hin und her getragen, Kisten geschleppt und seltsam aussehende Gerüste über den Platz getragen. Ihre Augen sahen das alles, doch sie nahm das Gewimmel vor ihr nicht wirklich wahr. Eine Hand stützte sich auf das Fensterbrett, die andere glitt auf dem Rahmen vorsichtig auf und ab, so als würde sie die Struktur des Kunststoffs begreifen wollen.
Die Tür hinter ihr, an der gegenüber liegenden Seite des Raumes sprang mit einem lauten Knall auf und herein platzte ebenso geräuschvoll ihre Kollegin. Sina schaute sie lachend an, klatschte in beide Hände und mit hüpfenden Bewegungen kam sie auf sie zu. Ein Gefühl der Freude und Zufriedenheit breitete sich um sie aus, wie fast immer, wenn sie irgendwo erschien. Catherine beneidete ihre Freundin um ihr ungezwungenes Wesen, sie konnte selbst der unmöglichsten Situation noch etwas Positives abgewinnen. „Unglaublich .... es ist einfach unglaublich ... nicht zu fassen ...!“ sprudelte sie hervor. Catherine schaute sie fragend an „Was ist unglaublich und nicht zu fassen?“ „Na einfach alles, ich hätte nie zu träumen gewagt, dass ich dies einmal erleben kann, so in diese Atmosphäre abzutauchen .... unglaublich!“ „Du meinst hier auf dem Set, oder was?“ Catherine war sich immer noch nicht ganz sicher, wovon Sina sprach. „Meine Güte, natürlich. Was hast du denn gedacht wovon ich quatsche! Cat, ich werde dir ewig dankbar sein, dass du mir diesen Job verschafft hast ... unglaublich!“
Sina war neu in dem Geschäft und Catherine hatte der langjährigen Freundin geholfen, in dieser Produktion unterzukommen. Nicht ganz einfach, wenn man bedachte, dass Sina nur wenig Erfahrung als Maskenbildnerin hatte. Doch sie hatte sich bewährt und arbeitete zuverlässig, kreativ und war unbefangen im Umgang mit den Größen des Filmgeschäfts. Nervosität kannte sie kaum – sie war von sich und ihrer Arbeit überzeugt.
Catherine wandte sich wieder dem Fenster zu und blickte hinaus. Die junge Frau folgte ihr, lehnte sich mit dem Rücken an den Rahmen und schaute Catherine forschend ins Gesicht. „Was hast du? Was ist mit dir, geht’s dir nicht gut???“ Sina hatte ein Gespür für die Launen ihrer Freundin. „Alles klar mit dir? Du schaust so komisch aus ... Catherine, rück damit raus, du kannst mir eh nichts verheimlichen!“ Die Ältere blickte zu Sina, schwieg aber. Wie sollte sie das erklären, wie der jungen Frau und Kollegin das klar machen, Catherine überlegte schon längere Zeit, sich jemanden anzuvertrauen. Aber wem sollte sie von ihrer Entscheidung erzählen, wer würde das verstehen – einen Job aufgeben, nur weil man persönliche Empfindungen nicht unterdrücken konnte, tiefe Gefühle die Arbeit jeden und jeden Tag ein bisschen schwerer machten. Sina war zwar jünger, doch unerfahren und leichtsinnig war sie nicht. Ihre Unbekümmertheit suggerierte zeitweise Unerfahrenheit und Oberflächlichkeit. Doch das war nicht der Fall, wie Catherine genau wusste. Auf Sina war Verlass, wenn sie vielleicht auch die Ernsthaftigkeit von Catherines Gefühlen nicht würde nachempfinden können, so war sie doch vertrauenswürdig und hatte Catherine schon einige Male geholfen. „Ich habe in einer Viertelstunde ein Gespräch mit dem Produktionsleiter“, erklärte sie. „Ich darf mich nicht verspäten!“ Ein leises Quietschen ließ sie kurz stocken, die Verbindungstür zum Nachbarraum hatte sich wohl im Luftzug bewegt. Sina fragte „Wieso denn, gibt’s Probleme ... hat doch hoffentlich nichts mit mir zu tun?“, ihr Gesicht verzog sich zu einer fragenden Grimasse, ihre Nase kräuselte sich dabei in typischer Weise. Catherine musste lachen „Nein, dass hat überhaupt nichts mit dir zu tun, glaub mir. Es geht um mich!“ „Lass dir bitte nicht alles aus der Nase ziehen, Cat ... oh Mann, das kannst Du wirklich gut! Los, raus damit, bevor du mir den Nerv tötest, wirst Du befördert? Kriegst du mehr Flocken, lass dich um Himmels willen nicht so ausquetschen!“ „Und lass du mich mal zu Wort kommen!“, wieder ein Geräusch aus dem Nebenraum. Catherine ging ein paar Schritte hin zur Verbindungstür und beugte sich zur Seite um in den Nebenraum zu schauen. Da war niemand. „Cat ... bitte!!“ „Ja doch, ich weiß nur nicht, wie ich es Dir schonend beibringen soll ...“ „Bist du schwanger? Du weißt doch, mir kannst du alles sagen, bin schließlich nicht deine Mum!“ Sina grinste. „Ich höre hier auf, ich kündige!“ platzte Catherine heraus. Sie atmete erleichtert aus und schaute ihrer Freundin ins erstaunte Gesicht. Sina blieb der Mund offen stehen und sie, der normalerweise nie die Worte fehlten, schwieg. „Sina ...?“ Catherine wartete auf einen Kommentar. Sina schaute sie an „Bitte? Ich hör’ wohl nicht recht! Was soll das denn jetzt?“ Catherine seufzte und wappnete sich für das, was jetzt kommen würde, Sina würde nicht eher nachlassen bis sie alles wusste, nicht nachgeben – bohren, nachhaken und ausquetschen, bis auch das letzte Geheimnis gelüftet sein würde. „Also ... ich hör’ hier auf, ich werde es Nick gleich beichten. Na ja, leicht wird das nicht, aber ich kann hier nicht mehr arbeiten“, begann sie. „Das glaub’ ich einfach nicht, wieso denn nicht? Du warst doch so begeistert von der Produktion, den Leuten, den Locations, von dem, was du alles lernen kannst. Und mir hast du es in tönenden Worten auch schmackhaft gemacht, ich glaub’ das einfach nicht! Was steckt dahinter, los red’ schon! Catherine!“ In Sinas Gesicht zeichnete sich Unverständnis und Hilflosigkeit ab. Man sah ihr an, dass sie ihrer Freundin nicht folgen konnte. „Ich hab’ ein Problem. Ich dachte ich bekäme es in Griff, aber es klappt nicht. Auf der ganzen Linie hab’ ich versagt, Mist!“ Catherine ärgerte sich über sich selbst. Wie sollte sie sich denn verständlich machen, wie die Gefühle und den inneren Aufruhr in Worte fassen? „Ja, ich höre ...“ Sina stemmte die Hände in die Seite und wippte mit dem Fuß, „ja.... weiter...?“ „Ich ... ich ... meine Güte, wie soll ich das denn sagen? Ich kann nicht mehr mit ihm arbeiten“, jetzt war es heraus. Sina ließ nicht locker „Sehr interessant ... du kannst nicht mit IHM arbeiten??? Tja, mit wem kannst du nicht arbeiten, Nick, Steve, dem Hairstylisten, dem Kabelträger – wer ist denn der geheimnisvolle Unbekannte, hä?“ „Matthew ...:“ das Wort platzte nur so raus, es war draußen, bevor Catherine wusste, was sie gesagt hatte „Matthew....“ „Matthew .... wen meinst du? Doch nicht etwa .... Matthew, den Matthew. Ne, das glaube ich jetzt nicht, doch nicht Macfadyen? Was hat er dir denn getan, der ist doch obersüß, lustig, freundlich – na ja, er hat auch seine schlechten Tage, aber mit dem kriegt man sich doch nicht in die Haare! Cat!“ Sina zog das letzte Wort wie Gummi. Catherine zögerte mit ihrer Antwort „Damit hat es nichts zu tun, ich habe mich nicht mit ihm gestritten oder so...“ „Ja, was ist es denn – CAT! Sag’ schon, glaub bloß nicht, dass ich dich jetzt von der Leine lasse, jetzt muss ich alles wissen – sag schon. Du hattest keinen Streit mit ihm, keine Meinungsverschiedenheit, keine krassen Vorschläge für sein Aussehen, keinen lila Lidschatten, keine ....“ „Schon gut, schon gut, nein das ist es nicht.“ Catherine machte eine Pause, atmete durch. „Ich mag ihn“, flüsterte sie. „Cat – du magst ihn, ja! Ich mag ihn auch!! Cat ....“ Sollte sie es Sina wirklich sagen, das alles wirkte so total lächerlich, so unglaublich lächerlich, aber sie konnte es nicht mehr verleugnen, weder ihrer Freundin gegenüber, noch vor sich selber „Ich hab’ ihn lieb ... ich glaube ich liebe ihn! Verdammt noch mal!“ Sina war stumm, sie blickte ungläubig, aber auch ein bisschen amüsiert, legte den Kopf mit einem wissenden Ausdruck zur Seite, lächelte. Stille - keine sagte etwas. Catherine schaute zum Fenster, wäre am liebsten dorthin gegangen, hätte am liebsten den Blick wieder über den Hof schweifen lassen. Sina wäre nicht hereingeplatzt. Am liebsten hätte sie alles vergessen. Aber sie betrog sich selbst – und ihre beste Freundin. „Du hast ihn richtig lieb, du liebst ihn, sagst du. Keine Mädchen-Schwärmerei ....“ „Sina!“ ... „Schon gut, schon gut, ich mein ja bloß. Bist du sicher?“ Sina blickte sie fragend an. „So sicher wie ich nur sein kann. Am Anfang freute ich mich auf den Job, ich mochte ihn schon immer, so von weitem halt. Ich sah ihn gerne spielen, hörte gerne seine Stimme und so. Dann lernte ich ihn hier persönlich kennen. Und... ich ... ja, ich verliebte mich in ihn. Ich dachte zuerst, das geht schon vorbei. Macfadyen ... ha! Der ist verheiratet, hat Kinder. Vergiss es einfach, das klappt schon, das wird deine Arbeit nicht beeinflussen, du kannst ganz normal weiter machen. Was für eine Fehleinschätzung! Mein Gott, was für ein fataler Fehler. Es wurde nicht besser, es wurde immer schlimmer und schlimmer“. „Catherine ....“ „Ich belog mich selbst. Ich entschuldigte das Zittern meiner Hände wenn ich ihn berührte – wohl zu spät ins Bett gekommen, war nicht ausgeschlafen. Ich überspielte meine Fehler, die mir immer häufiger unterliefen, wenn er in der Nähe war. Ich war besonders freundlich zu seiner Frau. Ich belog mich einfach selbst, Sina!“
„Oh Kleines, was machen wir denn jetzt?. Bist du ganz sicher, dass du aufhören willst? Gibt es keine andere Möglichkeit? Catherine, das kann es doch nicht gewesen sein. Dieser blöde Ma .....“ „Bitte nicht Sina. Er kann nun wirklich nichts dafür, meinst du nicht auch?“ fragte Catherine. „Du hast ja recht. Aber es ärgert mich so – aber – du arme Cat. Kann ich dir irgendwie helfen? Du hast schon soviel für mich gemacht, jetzt bin ich mal dran, oder?“ „Du hast mir schon geholfen. Endlich konnte ich es einmal aussprechen. Es steckte in mir wie ein Stachel, den ich nicht herausziehen konnte. Er ist zwar noch nicht draußen, sitzt aber schon lockerer!“ Catherine lächelte mutig und sah ihre Freundin an. „Kannst du mich jetzt noch einen Augenblick alleine lassen? Ich muss mich noch auf das Gespräch mit Nick vorbereiten, das wird sicher nicht eben einfach. Ich werde mich für dich einsetzen, Sina. Du hast schon viel gelernt ....“ „Cat, das ist doch wirklich unglaublich, wen interessiert das denn jetzt!“ unterbrach Sina sie. „Ohne dich wird es sowieso keinen Spaß machen ...:“ „Jetzt spinnst du aber, Sina“, Catherines Stimme hob sich. „Sina, bitte, mache es mir nicht noch schwerer. Gib mir ein paar Minuten, ich geh’ danach zu Nick und heute Abend bequatschen wir alles, o.k.?“ Sina gab nach „O.k., heute Abend! Versprochen! Und ich drücke dir die Daumen!“ Sie nahm Catherine in die Arme und drückte sie an sich, küsste sie auf die Wange und lächelte ihr Mut zu. Mit einem Blick über ihre Schulter drehte sie sich um und ging langsam hinaus. Leise schloss sie die Tür hinter sich.
Catherine drehte sich um, betrachtete das Fenster, hörte leise Geräusche vom Hof herauf klingen und ein ganz leises vom Nebenraum. Sie wandte den Kopf und blickte zu der halb offenen Verbindungstür. Da stand er. „Es tut mir so leid“ sagte er leise. „Was kann ich nur tun?“, er versuchte ein Lächeln, das Licht des Fensters spiegelte sich in seinen blauen Augen. Sein schönes Gesicht ließ sie erschauern. Die Tränen stiegen ihr in die Augen, einfach so. Es gab keinen Grund sie zurückzuhalten.
„Nichts“, sagte sie und ging.
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Zuletzt geändert von cunitia am 28.12.2006, 21:39, insgesamt 3-mal geändert.
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